Die im Kapitel II der EuGüVO – Art. 4 bis 19 – enthaltenen umfassenden Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit, die von Amts wegen geprüft wird (Art. 15 EuGüVO), gelten auch in Fällen des Drittstaatenbezuges und verdrängen das internationale Verfahrensrecht der teilnehmenden Mitgliedsstaaten, in Deutschland also die §§ 98 ff. FamFG. Die EuGüVO enthält eine gestaffelte Zuständigkeitsordnung, die auch für Widerklagen gilt (Art. 12 EuGüVO).
1. Zuständigkeit im Falle des Todes eines Ehegatten, Art. 4 EuGüVO
Wurde bereits in einer Erbsache hinsichtlich der Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem Ehegatten gemäß der EuErbVO das Gericht eines Mitgliedstaats angerufen (Art. 14 EuGüVO), so tritt gem. Art. 4 EuGüVO eine Zuständigkeitskonzentration ein, sofern das in der Erbsache angerufene Gericht nach den Art. 4 bis Art. 11 EuErbVO international zuständig ist. Insoweit reicht eine nach Art. 5 EuErbVO getroffene Gerichtstandvereinbarung aus. Keine Zuständigkeitskonzentration tritt demzufolge ein, wenn sich die Zuständigkeit des in der Erbsache angerufenen Gerichts aus einer anderen Rechtsquelle ergibt, so wie im Fall der Türkei. Hier gilt nach wie vor der Deutsch-Türkische Konsularvertrag vom 28.5.1929, sog. Nachlassabkommen (RGBl II 1931, 538), der der EuErbVO vorgeht. Die Gerichte des Staates der Erbsache sind international zuständig auch für alle güterrechtlichen Fragen "in Verbindung mit diesem Nachlass", so z.B., wenn ein überlebender Ehegatte Pflichtteilsansprüche einklagt und zusätzlich den konkreten Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB geltend macht (Weber DNotZ 2016, 659, 690).
Die Güterrechtssache ist Folgesache zur Nachlasssache, ohne dass es aber zu einem echten Verhandlungs- und Entscheidungsverbund kommt. Die Zuständigkeit ist eine ausschließliche und kann von den Parteien nicht durch eine Gerichtsstandvereinbarung oder durch rügelose Einlassung abbedungen werden. Art. 7 EuGüVO gilt nur für den allgemeinen Auffangtatbestand nach Art. 6 EuGüVO.
Praxistipp:
Art. 4 EuGüVO regelt nicht die sachliche und örtliche Zuständigkeit, so dass insoweit andere Gerichte oder Gerichtsabteilungen zuständig sein können, z.B. das Familiengericht für das Güterrecht, dass Zivilgericht (AG oder LG) für die Nachlasssache. Insoweit wird in § 3 Abs. 1 Nr. 1 IntGüRVG auf die Zuständigkeitsregeln der IntErbRVG verwiesen.
2. Zuständigkeit bei Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe (Art. 5 EuGüVO)
Wird ein Gericht eines Mitgliedsstaats zur Entscheidung in einer Ehesache angerufen, die in den Anwendungsbereich nach der Brüssel IIa-VO fällt – wobei streitig ist, ob dies auch für gleichgeschlechtliche Ehen gilt – so sind vorbehaltlich Art. 5 Abs. 2 EuGüVO die Gerichte dieses Mitgliedsstaats international zuständig auch für die Fragen des ehelichen Güterrechts. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit wird davon nicht erfasst. Über § 3 Abs. 1 Nr. 2 IntGüRVG wird auf § 122 FamFG verwiesen.
In den Fällen, in denen sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 lit. a 5 und 6 Brüssel IIa i.V.m. Art. 5, 7 Brüssel IIa-VO (EuEheVO) aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers ergibt, bedarf es zusätzlich einer bekräftigenden Vereinbarung (Art. 5 Abs. 2 EuGüVO). Für die Form verweist Art. 5 Abs. 3 EuGüVO, wenn diese vor Anrufung des Gerichts in der Güterrechtssache geschlossen wird, auf Art. 7 Abs. 2 EuGüVO. Die Zuständigkeit unterliegt in diesen Fällen nicht der Parteidisposition i.S.d. Art. 7 EuGüVO und kann auch nicht durch rügelose Einlassung begründet werden.
3. Allgemeiner Auffangtatbestand (Art. 6 EuGüVO)
Ergibt sich keine Zuständigkeit nach Art. 4, 5 EuGüVO, ist auf die subsidiäre Auffangnorm des Art. 6 EuGüVO abzustellen. Die praktische Bedeutung dürfte allerdings eher von untergeordneter Bedeutung sein, da güterrechtliche Streitigkeiten typischerweise bei Beendigung der Ehe, also durch Tod (Art. 4 EuGüVO) oder Scheidung (Art. 5 EuGüVO) entstehen. Der Anwendungsbereich dürfte sich daher auf isolierte Güterrechtsstreitigkeiten bei bestehender Ehe, begonnene Streitigkeiten nach Abschluss des Statusverfahrens oder auf Fälle, in denen das Statusverfahren in einem Drittstaat stattfindet, beschränken (Weber DNotZ 2016, 659, 691). Die Norm enthält eine Rangordnung abgestufter Zuständigkeiten, die für die Parteien insofern zwingend ist, als eine später genannte Stufe erst in Betracht kommt, wenn eine vorhergehende nicht eingreift. Die Regelung ist nicht ausschließlich. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 IntGüRVG.
Nach Art. 6 lit. a EuGüVO wird zunächst am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort der Ehegatten gegründet, sodann nach lit. b an ihrem letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, sofern noch einer von ihnen im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen aktuellen Aufenthaltsort hat, und nach lit. c am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners. Greift keiner dieser Tatbestände ein, bestimmt die gemeinsame Staatsangehörigkeit beider Ehegatten im teilnehmenden Mitgliedsstaat die internationale Zuständigkeit (lit. d).
Praxistipp:
Sind die Ehegatten Doppel- oder Mehrfachstaater, dürfte es dem Antragsteller überlassen sein, auf welche der Staatsangehörigkeiten er sich ...