Bei der Feststellung der Behinderung durch die Versorgungsämter sind gem. § 152 Abs. 4 SGB IX auch hinsichtlich weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (s. hierzu unten IV.) sind, die erforderlichen Feststellungen zu treffen (vgl. hierzu ausführlicher MAH Sozialrecht/Schröder, § 29 Rn 100 ff.).
In dem Ausweis für schwerbehinderte Menschen sind neben dem Grad der Behinderung diese Merkmale in Form folgender Merkzeichen zu kennzeichnen (vgl. §§ 1 und 3 SchwbAwV):
a) Merkzeichen "G"
Begünstigt sind schwerbehinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind (§ 228 Abs. 1 SGB IX). Es sind zwei Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen (vgl. BSG, Urt. v. 27.8.1998 – B 9 SB 13/97 R und VMG Teil D Nr. 1b):
- Die Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr muss derart schwer sein, dass eine Gehstrecke von rd. 2.000 m nicht mehr in einer Gehzeit von 30 Min. zurückgelegt werden kann.
- Darüber hinaus geben die VMG an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung zusätzlich bestehen müssen, bevor angenommen werden kann, dass schwerbehinderte Menschen infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Sie beschreiben in Teil D Nr. 1 d-f Regelfälle, bei deren Vorliegen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können.
Hinweis:
Das BSG hat am 11.8.2015 (B 9 SB 1/14 R) entschieden, dass auch psychisch bedingte Gehstörungen (im konkreten Fall ging es um ein Fibromyalgie-Syndrom mit somatoformer Schmerzstörung) zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr und damit zur Vergabe des Merkzeichens G führen können, auch wenn sie in den VMG nicht als Regelfälle genannt sind. Das Gericht leitet dies aus dem Behindertenbegriff des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX her, der sowohl im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventionsrechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, Art. 5 Abs. 2 UN-BRK) gebiete, alle körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen einzubeziehen.
Nachteilsausgleiche: vgl. IV. 2. c), 3 b), c), 4 a), 5.
b) Merkzeichen "aG"
Seit dem Inkrafttreten des BTHG ergab sich die Berechtigung zur Benutzung sog. Behinderten-Parkplätze aus § 45 Abs. 1b Nr. 2 StVO und die hierfür rechtlich notwendige "außergewöhnliche Gehbehinderung" aus einer Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 1 StVO. Die maßgebliche Bestimmung findet sich jetzt ausschließlich in § 229 Abs. 3 SGB IX. Hiernach sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigungen, die einem GdB von min. 80 entsprechen. Eine solche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwer behinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Behinderung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können (s. zu diesem Erfordernis: BSG, Urt. v. 11.8.2015 – B 9 SB 2/14 R u. Urt. v. 16.3.2016 – B 9 SB 1/15 R). Der Gesetzgeber hat auf die Bezeichnung bestimmter – orthopädischer – Erkrankungen verzichtet. § 229 Abs. 3 S. 4 SGB IX zählt verschiedenste Gesundheitsstörungen auf, die die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen können und die, so Satz 5 der Norm, als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen sind, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der in Satz 1 der Vorschrift genannten Beeinträchtigung gleichkommt.
Hinweis:
- Anders als bei Merkzeichen "G" ist kein an einer bestimmten Wegstrecke und einem zeitmaßorientierter Maßstab anzulegen, für das Merkzeichen "aG" gelten gegenüber Merkzeichen G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (so BSG, Urt. v. 11.8.2015 – B 9 SB 2/14 R).
- Steht dem behinderten Menschen der Nachteilsausgleich "aG" nicht zu, so kann ihm der Nachteilsausgleich "G" auch dann zugesprochen werden, wenn dies nicht ausdrücklich beantragt wurde. "G" ist grundsätzlich in dem Antrag auf "aG" mit enthalten (LSG Bayern, Urt. v. 25. 8. 2005 – L 15 SB 35/00, Rn 57).
Nachteilsausgleiche: vgl. IV. 2. c), 3 c), 5.
c) Merkzeichen "H"
Dieses Merkzeichen ist im Ausweis einzutragen, wenn die schwerbehinderten Menschen hilflos i.S.d. § 33b Abs. 6 S. 2 EStG oder entsprechender Vorschriften sind. Von Hilflosigkeit ist auszugehen, wenn infolge der Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen (hierzu gehören diejenigen des § 14 Abs. 4 Nr. 1 – 3 SGB XI, ohne den hauswirtschaftlichen Bereich in Nr. 4, s. auch VMG Teil A Nr. 4c im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang dauernd fremde Hilfe benötigt wird [VMG Teil A Nr. 4b, S. 1]). Der Hilfebedarf wird auch anerkannt, wenn e...