Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Merkzeichen RF. Rechtsgrundlage. verfassungswidrige Regelung in SchwbAwV. rechtliche Feststellung. Verwerfungskompetenz

 

Orientierungssatz

Zur Rechtswidrigkeit des Anspruchs behinderter Menschen auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.11.2007; Aktenzeichen B 9/9a SB 3/06 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger das Merkzeichen RF nach Schwerbehindertenrecht als Voraussetzung für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zuzusprechen hat.

Die Beklagte erkannte den Kläger erstmals mit Bescheid vom 28. Februar 1989 als Schwerbehinderten an. In der Folge ergingen mehrere Neufeststellungsbescheide gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Mit Verschlimmerungsantrag vom 1. November 2002 bat der Kläger die Beklagte um Feststellung des Merkzeichens RF. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 2003 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ab, da die Voraussetzungen für die Feststellung dieses gesundheitlichen Merkmals nicht vorlägen. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2003). Gegen den am 5. Mai 2003 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 10. Juni 2003 (Dienstag nach Pfingsten) vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Dem Kläger stehe das Merkzeichen RF rechtlich nicht zu.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 22. März 2005 zugestellt worden. Am 22. April 2005 hat er Berufung eingelegt mit dem Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Merkmal RF für die Rundfunkgebührenbefreiung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat eine Auskunft der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn eingeholt. Auf das Schreiben vom 15. September 2005 (Blatt 110 der Prozessakten) wird verwiesen.

Die Sachakten der Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und daher zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten die Zuerkennung eines Merkzeichens RF rechtlich nicht verlangen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) stellen auf Antrag eines behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die in Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (vgl. § 126 SGB IX), so haben diese Behörden die erforderlichen Feststellungen ebenfalls im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX zu treffen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag ist unter anderem darüber nach § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB IX ein Ausweis auszustellen, der als Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen dient, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 SGB IX oder nach anderen Vorschriften zustehen (§ 69 Abs. 5 Satz 2 SGB IX). Die Gestaltung des Ausweises richtet sich gemäß § 70 SGB IX nach der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) vom 25. Juli 1991 (BGBl. III/FNA 871-1-9), welche in § 3 Abs. 1 Nr. 5 Regelungen über das Merkzeichen RF (Erfüllung der landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) enthält.

Danach steht dem Kläger dieses Merkzeichen nicht zu. Es fehlt nämlich an einer gültigen Anspruchsnorm, die im Zusammenhang mit der Rundfunkgebührenbefreiung einen Nachteilsausgleich nach Schwerbehindertenrecht in rechtlich zulässiger Weise begründen könnte. Teil 2 SGB IX enthält insoweit keine Bestimmungen. Vielmehr trifft die Schwerbehindertenausweisverordnung vorliegend eine (dynamische) Verweisung auf den landesrechtlichen Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) in der Fassung des Hamburgischen Gesetzes vom 1. März 2005 (HmbGVBl. S. 40), der in § 6 Abs. 1 Nr. 8 anordnet, dass behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung (GdB) nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, auf Antrag im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebühr...

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