Einführung

 
Hinweis

§§ 536 bis 536d BGB zeigen die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften. Sie gelten für die Wohn- und Gewerbemiete sowie für alle sonstigen Mietverhältnisse. § 536 BGB regelt die Mietminderung.

I. Mietminderung

Die Mietminderung tritt automatisch kraft Gesetzes im Fall eines Sachmangels oder eines Rechtsmangels ein, ist also kein Anspruch (§ 194 Abs. 1 BGB) und muss nicht extra geltend gemacht werden.’Deshalb kann sie auch rückwirkend berücksichtigt werden: Der Mieter kann zu viel bezahlte Mietanteile kondizieren. § 814 BGB steht so lange nicht entgegen, wie der Mieter nur die Tatsachen seiner Minderungsmöglichkeiten kennt, aber über die rechtliche Schlussfolgerung irrt (BGH, Beschl. v. 4.9.2018 – VIII ZR 100/18).

Auf die Möglichkeit einer Einflussnahme des Vermieters oder auf sein Verschulden kommt es nicht an’(Garantiehaftung; § 536 Abs. 1 S. 1 BGB). Mietminderungen sind vor allem bedeutsam bei Beeinträchtigungen durch:

  • Lärm (Baulärm, Verkehrslärm, Sportlärm, Wohnlärm einschl. Überempfindlichkeiten),
  • Geruch,
  • sonstige Störungen des Hausfriedens,
  • Schimmel in der Wohnung,
  • sonstige Baumängel,
  • Wohngifte (chemische oder sonst toxische Belastungen) oder Legionellen,
  • Flächendefizite,
  • baurechtswidrige Zustände,
  • Baumaßnahmen im Haus oder in der Nachbarschaft,
  • (energetische) Modernisierungen,
  • ästhetische Störungen,
  • Umfeldmängel (bezogen auf das Umfeld der Mieträume bzw. auf die Quartiersituation) sowie
  • Umweltmängel (einschließlich Hitze/Klimaschutz).

Aktuell besonders umstritten ist die Frage, ob öffentlich-rechtliche Betriebsverbote zur Eindämmung von „Corona” als Mangel der Mieträume verstanden werden können (zur behördlichen Nutzungsuntersagung: OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2019 – 18 U 145/16; BGH, Urt. v. 2.11.2016 – XII ZR 153/15).

II. Mangelbegriff

Gesetzlich wird die Miete im Fall einer "nicht unerheblichen Beeinträchtigung" des Mieters durch den Zustand der Mietsache oder durch Rechte Dritter an der Mietsache gemindert (§ 536 Abs. 1 und 3 BGB).

Das Gesetz versteht den Mangel als negative Abweichung von dem geschuldeten vertragsgemäßen Zustand des gemieteten Objekts. Dieser Zustand kann durch Vertragsabrede selbst definiert werden (subjektiver Mangelbegriff) und muss nicht unbedingt das "non plus ultra" im Hinblick auf moderne Technik oder auf optimale Ausstattung darstellen. Es kann also durchaus ein "Substandard" als vertragsgemäß vereinbart werden (BGH, Urteile v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18 zur Schimmelpilzgefahr durch Wärmebrücken im Altbau bei eingehaltenem Baustandard zur Zeit der Errichtung der vermieteten Wohnung).

 

Beispiel:

Eine Wohnung kann auf der Grundlage einer entsprechenden Abrede auch unrenoviert übergeben werden (vgl. BGH, Urteile v. 8.7.2020 – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18). Ein "frisch renovierter" Zustand muss also nicht vereinbart werden.

Die Grenze: Das Mietobjekt muss zeitgemäß genutzt werden können (BGH, Urt. v. 28.7.2004 – VIII’ZR’281/03 und v. 10.5.2006 – XII ZR 23/04) und von ihm dürfen keine Gesundheitsgefahren (LG’Lübeck, Urt. v. 15.2.2018 – 14 S 14/17; LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 29.11.2018 – 15 S 112/17 – defekte Wasserversorgung) ausgehen.

Finden sich vertragliche Regelungen, so ist zu untersuchen, ob sie als zugesicherte Eigenschaft (§ 536 Abs. 2 BGB) oder "nur" als (auch konkludent mögliche) Beschaffenheitsvereinbarung auszulegen sind (BGH, Urt. v. 29.4.2020 – VIII ZR 31/18). Enthält der Mietvertrag keine Angaben, so kommt es auf normative Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen, auf technische Normen (z.B. VDI, DIN) und danach auf die "Verkehrsanschauung", häufig niedergelegt in Judizen, an. Entscheidend ist ebenfalls die örtliche Gepflogenheit zur Beurteilung (Verkehrssitte).

III. Höhe der Minderung

Die Miete mindert sich quotal im Verhältnis zur Schwere des Mangels (§ 536 Abs. 1 S. 2 BGB: "angemessen"). Außergerichtlich wird mit Minderungstabellen gearbeitet, in denen vergleichbare Fälle ausgewiesen sind, die als Richtschnur herangezogen werden. Die endgültige Minderungsquote wird erst durch das Gericht festgesetzt.

 

Hinweis:

Das geht für den Mieter mit besonderen Gefahren einher. Denn wenn zu viel Miete einbehalten wird, kann sich Zahlungsverzug ergeben. Da er Verschulden voraussetzt (§ 286 Abs. 4 BGB), kommt es dann auf die Vorhersehbarkeit einer falsch angesetzten Minderungsquote bzw. auf den Rechtsirrtum dazu an. Deshalb sollte ein festgestellter Mangel angezeigt und ausdrücklich "unter Vorbehalt" die Miete weitergezahlt werden.

Um das Risiko einer Fehleinschätzung zu vermeiden, kann der Mieter kein selbständiges Beweisverfahren mit dem Ziel durchführen, den Prozentsatz der Mietminderung für bestehende Mängel zu erfahren (LG Berlin, Urt. v. 13.12.1990 – 61 S 207/90), wohl aber Feststellungsklage bei entsprechendem Rechtsschutzinteresse erheben (LG Berlin, Urt. v. 9.1.2020 – 67 S 230/19 bei dynamischem Mangel; vgl. für periodisch auftretende Mängel in Abhängigkeit von der Jahreszeit und von der Witterung oder zur Bautätigkeit in der Nachbarschaft: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.2019 – I-24 U 197/18; LG Berlin, Ur...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge