Einigkeit besteht, dass die Corona-Krise nicht als "Trumpfkarte" für Umgangsverweigerer genutzt werden darf. Persönlicher Umgang ist also grds. aus Gründen des Kindeswohls und zur Aufrechterhaltung der Bindungen weiter durchzuführen, aber ggf. der besonderen gegenwärtigen Situation anzupassen (Rake, FamRZ 2020, 650; Lack, NJW 2020, 1255; Mainz-Kwasniok, FamRB 2020, 203; Götsche, FuR 2020, 396; Bergmann/Auerswald, FamRB 2020, 293). Erste gerichtliche Entscheidungen sind hierzu bereits ergangen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.5.2020 – 1 UF 51/20, NJW 2020, 2038; OLG Schleswig, Beschl. v. 25.5.2020 – 10 WF 77/20, NZFam 2020, 632; AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.4.2020 – 456 F 5086/20, FF 2020, 263; AG Frankfurt a.M., Beschl. v. 9.4.2020 – 456 F 5092/20, FamRZ 2020, 839; AG München, Beschl. v. 26.3.2020 – 566 F 2876/20, NJW 2020, 2039; AG Aachen, Beschl. v. 15.5.2020 – 220 F 136/20, NJW 2020, 2039).
Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, bezieht sich nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach einer Trennung in zwei getrennten Haushalten leben. Selbst eine Ausgangs- oder Kontaktbeschränkung stellt kein Hindernis dar, weil der Kontakt zur Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts i.d.R. weiterhin erlaubt ist. Ist ausnahmsweise eine persönliche Kontaktaufnahme nicht möglich, sollte immer der Umgang "auf Distanz" genutzt werden durch Telefon und Videoanrufe.
Ein nur allgemeines Risiko, sich unterwegs trotz Vorsichtsmaßnahmen zu infizieren, genügt nicht zur Rechtfertigung einer Abweichung von der Umgangsregelung. Zudem ist aufgrund der Wiedereröffnung von Kindergärten und Schulen ohnehin ein Infektionsrisiko für das Kind oder durch das Kind nicht auszuschließen, sodass beim Kontakt zum anderen Elternteil allenfalls ein gradueller Unterschied besteht.
Die Rechtsprechung hat bislang sehr deutlich gemacht, dass die Corona-Krise kein Grund sein darf, ein berechtigtes und vom Gericht angeordnetes Umgangsrecht auszuhebeln. So führt das OLG Schleswig Beschl. v. 25.5.2020 – 10 WF 77/20, NZFam 2020, 632 im Leitsatz seiner Entscheidung aus:
- Die allgemein erhöhte Gesundheitsgefahr aufgrund der Corona-Pandemie führt ohne das Hinzutreten weiterer risikoerhöhender Umstände nicht dazu, dass ein bestehender Umgangstitel abzuändern ist.
- Bei Verstößen gegen eine bestehende Umgangsregelung folgt aus der bloß allgemein erhöhten Gesundheitsgefahr aufgrund der Corona-Pandemie nicht, dass der Umgangsverpflichtete den Verstoß nicht zu vertreten hat.
- Um eine effektive Durchsetzung des Umgangsrechts zu gewährleisten, ist das Ermessen bei § 89 Abs. 1 FamFG i.d.R. dahingehend auszuüben, dass bei Verstößen gegen eine Umgangsregelung Ordnungsmittel zu verhängen sind.
Damit wird klargestellt, dass die Berufung auf die Corona-Krise den umgangsverpflichteten Elternteil nicht entschuldigen kann und daher regelmäßig bei Verstößen Ordnungsmittel zu verhängen sind.
Besteht eine Umgangsregelung oder eine gerichtliche Entscheidung zum Umgang, gilt sie trotz der Corona-Krise weiter und darf nicht eigenmächtig boykottiert werden. Eine Änderung muss nach §§ 1696 Abs. 1 BGB, 166 FamFG geboten sein, aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen.
Auch hier stellt sich die Frage, wie in Zeiten der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen und Gesundheitsgefahren die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der Beteiligten durchgeführt werden kann (dazu AG Frankfurt FF 2020, 263; Lack, NJW 2020, 1255, s. auch u. VI).
Einvernehmliche Änderungen sind selbstverständlich erlaubt.