Eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume und des befriedeten Besitztums zur Nachtzeit (vgl. dazu § 104 Abs. 3 StPO) ist grds. unzulässig. Zulässig ist sie nur unter den in § 104 Abs. 1 StPO bestimmten Ausnahmen.
Einige Ausnahmen waren schon im früheren Recht vorgesehen. Die sind in § 104 Abs. 1 StPO übernommen worden. Das sind die Fälle der Verfolgung auf frischer Tat (Nr. 1), der Gefahr im Verzug (Nr. 2), und der Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen (Nr. 4) (vgl. Burhoff, EV, Rn 4928). Insoweit kann auf bisher vorliegende Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Neu ist Ausnahme in § 104 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Danach darf die Durchsuchung zur Nachtzeit in Zukunft auch erfolgen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insb. in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Regelung ist zum besonderen Schutz der Nachtruhe (so) restriktiv formuliert (BT-Drucks 19/30517, S. 19).
Mit dem Begriff des "elektronischen Speichermediums" verwendet die Neuregelung einen Begriff, der in der StPO bereits enthalten war, und zwar in § 110 Abs. 3 StPO. Gemeint sind damit also alle elektronischen Datenträger und Datenspeicher, wie Disketten und die zum Lesen und Verarbeiten notwendigen Zentralcomputereinheiten, EDV-Anlagen sowie auch ein Notebook mit den darauf gespeicherten EDV-Daten (Burhoff, EV, Rn 1870 m.w.N.). Erfasst werden dürften davon nach § 110 Abs. 3 S. 1 StPO auch Daten auf räumlich getrennten Speichermedien (sog. elektronische Netzwerkressourcen (vgl. den pauschalen Hinweis auf § 110 Abs. 3 StPO in der BT-Drucks 18/30517, S. 19). Dieses elektronische Speichermedium muss als Beweismittel in Betracht kommen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln (dazu Burhoff, EV, Rn 1013 ff. m.w.N).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Durchsuchung zur Nachtzeit nach § 104 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist weiter, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf das elektronische Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt. Die Formulierung, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, wird u.a. verwendet in §§ 112 Abs. 2, 100b Abs. 2, 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Auf die dazu vorliegende Rechtsprechung und Literatur kann verwiesen werden (Burhoff, EV, Rn 2963, 4056; 4152). Ein bestimmter Verdachtsgrad wird nicht vorausgesetzt. Ausreichend ist also ein einfacher Verdacht, der jedoch auf bestimmten Tatsachen beruhen muss.
Die Neuregelung in Nr. 3 enthält zum Schutz der Nachtruhe (BT-Drucks 19/30517, S. 19) eine besondere Subsidiaritätsklausel. Danach darf zur Nachtzeit nach Nr. 3 nur durchsucht werden, wenn zusätzlich zu den bestimmten Tatsachen (vgl. vorstehend) "ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insb. in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre". Durchsuchungen zur Nachtzeit dürfen danach nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden (dazu BVerfG NJW 2019, 1428). Die Klausel entspricht der Subsidiaritätsklausel bei der akustischen Wohnraumüberwachung in § 100c Abs. 1 Nr. 4 StPO (Burhoff, EV, Rn 2788) oder bei der Online-Durchsuchung in § 100b Abs. 1 Nr. 3 StPO (Burhoff, EV, Rn 2967); daher wird man dazu vorliegende Rechtsprechung und Literatur entsprechend anwenden können.
Hinweise:
Es müssen also konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
1. in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten oder auf dem zu durchsuchenden befriedeten Besitztum während der Durchsuchung zur Nachtzeit auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden soll, und
2. bei einer Durchsuchung zur Tagzeit die Auswertung, insb. in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/30517, S. 19) weist ausdrücklich darauf hin, dass die Durchsuchung zur Nachtzeit wegen der strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht von einer rein abstrakten Unterteilung der Delikte in solche, die typischerweise nachts oder typischerweise tagsüber begangen werden, abhängig gemacht werden darf. Vielmehr müssen jeweils die Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden.
Die Voraussetzungen für die Ausnahme nach § 104 Abs. 1 Nr. 3 StPO müssen im Durchsuchungsbeschluss dargelegt werden. Auch insoweit gelten die allgemeinen Anforderungen an die Begründung einer Durchsuchungsmaßnahme (dazu Burhoff, EV, Rn 1580 ff. m.w.N.; dazu BT-Drucks 19/30517, S. 19).
Fraglich ist das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots (BVV), wenn eine Durchsuchung zur Nachtzeit unter Inanspruchnahme der Nr. 3 erfolgt, ohne dass die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung vorgelegen haben. Bislang ist die Regelung des § 104 StPO von der h.M. zwar nicht nur als sog. Ordnungsvorschrift angesehen, ihre Verletzung sollte aber dennoch nicht zu einem BVV führen...