1. Gemeinsame elterliche Sorge, § 1626a BGB
§ 1626a Abs. 1 BGB ermöglicht es Eltern, die im Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet sind, durch Abgabe von Sorgerechtserklärungen, Eheschließung oder gerichtliche Übertragung die gemeinsame elterliche Sorge zu erhalten. Andernfalls steht die elterliche Sorge des Kindes der Mutter zu (§ 1626a Abs. 3 BGB; ausführlich Jukisch FuR 2019, 331).
Nach § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB nimmt das Gericht nur eine negative Kindeswohlprüfung vor und nimmt also die gemeinsame elterliche Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern als widerlegbaren Regelfall an. Einer positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit und dafür erforderlicher Tatsachen bedarf es nicht (OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.10.2014 – 13 UF 206/13, NJW 2015, 964; OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.12.2013 – 7 UF 1195/13, FamRZ 2014, 571).
Für diese Prüfung kann auf die zu § 1671 BGB entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.6.2019 – 9 UF 25/19, juris).Es ist nicht entscheidend, welcher Elternteil die Verantwortung für eine evtl. fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt (OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.12.2014 – 11 UF 173/14, NJW 2015, 642). Allen Anhaltspunkten, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen könnten, hat das Gericht von Amts wegen nachzugehen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.10.2014 – 13 UF 206/13, NJW 2015, 964).
Hinweis:
Es obliegt nicht dem Antragsteller, eine durch die begehrte Entscheidung bewirkte günstige Entwicklung darzulegen, sondern der Antragsgegner hat Anhaltspunkte und eine darauf beruhende ungünstige Prognose darzulegen. Gelingt ihm dies nicht oder unterbleibt jeder Vortrag zur Entwicklung des Kindeswohls, so ist der Antrag begründet (OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.10.2014 – 13 UF 206/13, NJW 2015, 964).
Eine Beibehaltung der Alleinsorge der Kindesmutter erfordert über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinaus die Feststellung, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterliche Sorge gemeinsam zu tragen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2020 – 13 UF 101/19, juris; OLG Celle, Beschl. v. 16.1.2014 – 10 UF 80/13, FamRZ 2014, 857 = NJW 2014, 1309).
Jedoch reicht es nicht aus, dass die Kindesmutter widerspricht. Will die Mutter des Kindes die Vermutungsregelung des § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB entkräften, muss sie einen differenzierten Tatsachenvortrag bringen, der anhand konkreter Vorfälle die Schwierigkeiten zwischen den Eltern schildert. Erst unüberbrückbare und dem Kindeswohl schädliche Konflikte rechtfertigen, es bei der alleinigen elterlichen Sorge zu belassen.
Sofern jedoch angesichts der Entwicklung in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass Eltern auch zukünftig nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzung beizulegen, ist eine erzwungene Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.6.2020 – 20 UF 14/20, FamRZ 2020, 1920; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2020 – 13 UF 101/19, juris).
Die elterliche Sorge kann grds. gemeinsam ausgeübt werden,
- wenn die Kindeseltern seit längerer Zeit zusammenleben, da dies eine gelingende Kooperation indiziert (BT-Drucks 17/11048, S. 17); es bedarf gewichtiger Gründe, warum eine gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde (BT-Drucks 17/11048, S. 18).
- wenn über Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung von vornherein kein Streit besteht oder nicht ersichtlich ist, dass solche Angelegenheiten kurz oder mittelfristig zu regeln sind (Hamdan, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2020, § 1626a BGB Rn 33) oder
- wenn Eltern ausschließlich über das Umgangsrecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht streiten oder ansonsten nichts zu regeln ist (OLG Schleswig, Beschl. v. 7.4.2014 – 15 UF 140/13, FamRZ 2014, 1374; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.6.2013 – 13 UF 246/13, FamRZ 2014, 319);
- wenn es den Beteiligten trotz der gegenseitigen Vorbehalte bereits gelingt, sich in Angelegenheiten, die ihr gemeinsames Kind betreffen, zu verständigen (OLG München, Beschl. v. 26.8.2013 – 16 UF 983/13, FamRZ 2013, 1747).
Keine Übertragung der gemeinsamen Sorge auf beide Elternteile ist möglich, wenn diese nach der anzustellenden Prognose praktisch nicht funktionieren wird, weil mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zwischen den Eltern auch künftig keine Kooperation stattfindet und sich dieser Umstand – bereits in der Phase des Erprobens – erheblich belastend auf das Kind auswirken würde (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.6.2020 – 20 UF 14/20, FamRZ 2020, 1920; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.6.2019 – 9 UF 25/19, juris).
Bestehen Kommunikationsprobleme lediglich zeitweise und in Bezug auf die Umgangsregelung und beziehen sich gerade nicht auf Streitigkeiten über einzelne Fragen der elterlichen Sorge, steht einer Übertragung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge nichts e...