Der Arbeitgeber ist berechtigt, die geplante personelle Maßnahme bei Zustimmungsverweigerung oder vor Erteilung der Zustimmung unter Beachtung der Vorgaben des § 100 BetrVG vorläufig durchzuführen. Die personelle Einzelmaßnahme muss hierfür aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sein (§ 100 Abs. 1 BetrVG). Ein dringendes Erfordernis liegt vor, wenn ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber im Interesse des Betriebs alsbald handeln müsste, die personelle Maßnahme also keinen Aufschub verträgt (BAG, Beschl. v. 6.10.1978 – 1 ABR 51/77, DB 1979, 311). Hierfür kommt es allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einzelmaßnahme an.
Beispiel:
Für die Abwendung eines drohenden Schadens ist die sofortige Versetzung eines Mitarbeiters erforderlich.
Entfällt nachträglich der Grund, ist der Arbeitgeber gleichwohl nicht verpflichtet, die Einzelmaßnahme vor Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens wieder rückgängig zu machen. Bei vorläufiger Versetzung wegen Dringlichkeit hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich zu informieren. Eine Form ist nicht vorgeschrieben. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch auch hier die Schriftform. Inhaltlich muss die Information alle Angaben enthalten, die den Betriebsrat in die Lage versetzen, die vorläufige Versetzung und ihre Erforderlichkeit, insb. das Vorliegen eines sachlichen Grundes, zu beurteilen.
Hinweis:
Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht unverzüglich oder nicht ordnungsgemäß über die vorläufige Versetzung, fehlt es an einer Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Betriebsrat kann die Aufhebung über § 101 BetrVG verlangen (s.u. unter 3.).
Hält der Betriebsrat die vorgebrachten sachlichen Gründe nicht für gegeben, so hat er das dem Arbeitgeber seinerseits unverzüglich nach der ordnungsgemäßen Unterrichtung gem. § 100 Abs. 2 S. 2 BetrVG mitzuteilen. Tut er das nicht, kann der Arbeitgeber die personelle Maßnahme vorläufig durchführen.
Wenn der Betriebsrat die Dringlichkeit der personellen Maßnahme fristgerecht bestreitet, ist der Arbeitgeber nur dann berechtigt, sie weiterhin aufrechtzuerhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der Maßnahme aus sachlichen Gründen stellt (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Neben dem Antrag auf arbeitsgerichtliche Feststellung, dass die vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, muss der Arbeitgeber auch gleichzeitig die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats beim Arbeitsgericht beantragen.
Das Arbeitsgericht ist nur dann berechtigt, den Feststellungsantrag als unbegründet zurückzuweisen, wenn es die Durchführung der vorläufigen Maßnahme „offensichtlich” aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich hält. Das Arbeitsgericht kann also den Antrag gem. § 100 Abs. 2 BetrVG nicht zurückweisen, wenn es zwar die sachlichen Gründe verneint, dies aber nicht für „offensichtlich” hält.
Die Berechtigung des Arbeitgebers, die Maßnahme als vorläufige aufrechtzuerhalten, endet erst mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, dass die vorläufige Maßnahme „offensichtlich” aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Allein eine Abweisung des Feststellungsantrags des Arbeitgebers löst diese Rechtsfolge nicht aus (BAG, Beschl. v. 18.10.1988 – 1 ABR 36,87, NZA 1989, 183).
Das Merkmal der Offensichtlichkeit erfordert eine grobe, ohne Weiteres ersichtliche Verkennung der sachlichen betrieblichen Notwendigkeit für eine alsbaldige Durchführung der Maßnahme. Nur wenn dem Arbeitgeber insoweit ein grober Vorwurf zu machen ist, muss der Feststellungsantrag wegen offensichtlicher Verkennung der Dringlichkeit zurückgewiesen werden. Zeitpunkt der Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers (BAG, Beschl. v. 18.10.1988 – 1 ABR 36/87, NZA 1989, 183). Hierbei ist nicht die subjektive Betrachtung des Arbeitgebers ausschlaggebend. Es kommt darauf an, wie ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber die betriebliche Situation beurteilen würde (LAG Nürnberg Beschl. v. 22.9.2017 – 8 TaBV 9/17, juris), wobei von dem Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers, nicht von der nachträglichen Beurteilung der Situation auszugehen ist.
Hält der Arbeitgeber das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren ein (§ 100 Abs. 2 BetrVG), kann er die personelle Maßnahme vorläufig durchführen und sie bis zwei Wochen nach einer rechtskräftigen Entscheidung der Arbeitsgerichtsbarkeit aufrechterhalten, sofern die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats abgelehnt oder festgestellt wird, dass die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 3 BetrVG).
Hinweis:
Einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei gesetzeswidrigem Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit personellen Maßnahmen gibt es wegen der Sonderregelungen in §§ 100, 101 BetrVG nicht (zum allgemeinen vorbeugenden Unterlassungsanspruch des Betriebsrats vgl. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2021 – 4 TaBV 19/21, juris).