Die momentan zu beobachtenden Inflationsraten sind einerseits besorgniserregend und erinnern andererseits an die Ölkrise 1973. Die Organisation Erdölexportierender Staaten (OPEC) hatte Mitte 1973 beschlossen, die Fördermenge und Preise per Dekret festzulegen. Im Oktober 1973 ergriffen die westlichen Staaten im israelisch-arabischen Yom-Kippur-Krieg für Israel Partei, sodass ein Lieferboykott durch die OPEC erfolgte. Damals war Deutschland zu zwei Dritteln auf arabische Ölimporte angewiesen, infolge es zwischen 1973 und 1974 zu einer Verdreifachung des Einfuhrpreises für Rohöl kam (von 3 Dollar pro Fass auf 12 Dollar; heutiger Preis: mehr als 100 Dollar).
Die westlichen Industrieländer schlitterten damit in die schwerste Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg. Durch den Ölpreisschock und die gestiegenen Energiepreise stieg die Inflation 1973 auf 7,1 %, 1974 auf 6,9 %, 1975 auf 6,0 %, 1976 auf 4,2 %, 1977 auf 3,7 % und 1978 auf 2,7 % (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4917/umfrage/inflationsrate-in-deutschland-seit-1948/ ). Das bis dahin herrschende Währungssystem von Bretton-Woods, in dem u.a. ein Fixkurs der D-Mark zum Dollar vereinbart war, brach im Frühjahr 1973 zusammen. Die Bundesbank war bis dahin gezwungen, ständig überschüssige Dollar aufzukaufen, um den vereinbarten Währungskurs zu halten. Weiter erlebte die Bundesbank einen exorbitanten, spekulationsbedingten Zufluss an Devisen, obwohl es vorübergehend sogar negative Zinsen für Anlagen in D-Mark gab (vgl. Emminger, D-Mark, Dollar, Währungskrisen, S. 229). Aus § 19 BundesbankG, nach der die Bundesbank Devisen aufkaufen darf, wurde faktisch eine Devisenankaufspflicht gegenüber den von Banken angebotenen Devisen (vgl. Gaude, Die Mechanismen der Zentralbankgeldschöpfung und ihre Kontrollierbarkeit durch die Zentralbank, S. 41 f.). Dies hatte zur Folge, dass die Geldmenge stetig anwuchs, und dies von der Bundesbank nicht kontrolliert werden konnte. Durch den Zusammenbruch dieses Systems und dem Freiwerden von entsprechenden Interventionspflichten erlangte die Bundesbank 1974 wieder die volle Kontrolle über Instrumente zur Steuerung der Geldmenge.
Obwohl es zu einer Lohn-Preis-Spirale mit Lohnerhöhungen bis zu plus 15 % gekommen ist, sank dennoch – entgegen der Theorie – die Inflation.
Es war in diesem Umfeld und in dieser Dekade als sich die Bundesbank ihre Reputation als „beste Notenbank der Welt” erarbeitete, denn die Bundesrepublik war das einzige größere Industrieland, in dem trotz der Ölpreisexplosion von Ende 1973 die Inflationsrate bereits 1974 eine deutliche Wende nach unten anzeigte (vgl. Emminger, a.a.O. S. 270 f.) und die anderen westlichen Länder mit wesentlich höheren, oft zweistelligen Inflationsraten zu kämpfen hatten (vgl. Gödde, Der Ölschock S. 274, in: Börsch-Supan/Schnabel (Hrsg.), Volkswirtschaft in 15 Fällen).
Es herrscht weitgehend Konsens, dass dies vorwiegend an der Leistung der Bundesbank lag, denn diese ging 1974 als erste Nationalbank weltweit zu einer im Voraus programmierten Geldmengensteuerung mit einer markanten Erhöhung der Zinsen über (vgl. Emminger, a.a.O., S. 254).
Auf der Homepage der Bundesbank wird es als Lehre der Geschichte bezeichnet, dass die Bundesbank bei Auftreten einer inakzeptablen Inflation relativ schnell durch eine restriktive Geldpolitik, d.h. durch höhere Zinsen und eine Verknappung der Geldmenge gegensteuerte, um einen weiteren Anstieg der Inflationsrate in den zweistelligen Bereich zu verhindern ( https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/inflation-lehren-aus-der-geschichte-614516 ). Der Diskontsatz stieg von Januar 1973 bis 1974 von 4,5 % auf 7 %, der Lombardsatz von 7 % auf 13 %, wobei ab dem 4. Quartal wegen der eingetretenen Rezession dann wieder allmähliche Zinssenkungen zu beobachten waren (Quelle: https://www.bundesbank.de/resource/blob/650692/1a207bb54d6fe0b23e1335e163c0967c/mL/s510ttdiskont-data.pdf ).
Es versteht sich nicht von selbst, dass höhere Zinsen ein Mittel gegen eine aufkommende Inflation sein sollen, denn höhere Zinsen beseitigen nicht die Wurzel der Inflation, d.h. die von außen kommenden Störfaktoren (z.B. höhere Energiepreise, höhere Preise wegen Materialknappheit etc.). Höhere Zinsen ändern an dieser Erhöhung der Kosten, die dann von den Unternehmen weitergeben werden, nichts. Gleichwohl wollen die Notenbanken durch Zinserhöhungen den Preis des Geldes insgesamt, und damit auch in anderen Bereichen erhöhen. Durch diese Erhöhung des Preises für das Geld (Zinsen) soll es in anderen Bereichen zu einem Rückgang der Nachfrage kommen, sodass Unternehmen dort keine Kostenerhöhungen durchsetzen könnten oder ggf. sogar preiswerter werden müssten, und dies im Saldo auf die Inflationsrate durchwirken würde. Zudem würde durch die Reaktion der Notenbank die Inflationserwartung der Bevölkerung gesenkt werden können, sodass die Inflation nicht nur aufgrund einer selbst erfüllenden Prophezeiung weiter angeheizt werden würde. Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, sond...