Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) sieht sich überlastet. Seit geraumer Zeit kommen aus den Mitgliedstaaten der EU immer mehr sog. Vorabentscheidungsanfragen, in denen nationale Gerichte darum bitten, europarechtliche Vorfragen eines Rechtsstreits zu klären. In den vergangenen fünf Jahren sei ein erheblicher Anstieg der Zahl dieser Rechtsstreitigkeiten zu verzeichnen, teilte der EuGH bereits im März in einer Pressemitteilung mit.
Deshalb soll der Gerichtshof jetzt entlastet werden. Auf einigen eng umgrenzten Sachfeldern wird statt des EuGH ab dem 1. Oktober dieses Jahres das Gericht der EU (EuG; früher unter der Bezeichnung „Gericht erster Instanz” bekannt) entscheiden. Dies betrifft vor allem Steuer- und Zollfragen, den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten sowie die Rechte von Flug- und Fahrgästen. Diese Sachgebiete würden selten Grundsatzfragen aufwerfen, die die Einheit oder die Kohärenz des Unionsrechts berühren könnten, erläuterte der EuGH die Zuständigkeitsübertragung. Es gebe zu ihnen bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs, was es dem EuG ermöglichen sollte, sich auf früher ergangene Urteile zu stützen.
Unsicherheiten bei den nationalen Gerichten, bei welcher europäischen Instanz – EuGH oder EuG – künftig ein Vorabentscheidungsersuchen einzureichen ist, soll es nicht geben. Alle Ersuchen sind weiterhin an den Gerichtshof zu adressieren, der die weitere Zuweisung vornimmt. Insgesamt erhofft sich der EuGH damit eine Verringerung seiner Arbeitsbelastung und in der Folge, die Dauer von Verfahren weiterhin angemessen kurz halten zu können.
Bei dieser Gelegenheit sollen zugleich einige Verfahrensänderungen vorgenommen werden, um den Gerichtshof weiter zu entlasten und die Transparenz der Verfahren zu erhöhen. So soll beispielsweise ein Rechtsmittel in Streitigkeiten, die bereits zweimal – vom EuG und von einer der zehn unabhängigen europäischen Beschwerdekammern wie etwa der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde oder der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen – geprüft wurden, künftig nur dann vor den EuGH gebracht werden können, wenn es von ihm zuvor zugelassen wurde. Damit soll eine ineffiziente Mehrfachprüfung verhindert und die hohe Zahl der beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittel reduziert werden. Der Gerichtshof hofft, sich damit wieder auf die Rechtsmittel konzentrieren zu können, die „bedeutsame Rechtsfragen aufwerfen”. Nicht zuletzt sollen künftig die Schriftsätze der Parteien von Vorabentscheidungsersuchen auf der Internetseite des EuGH veröffentlicht werden.
[Quelle: EuGH]