„Ein Rechtsanwalt muss Vorkehrungen dafür treffen, dass ein Zustellungsdatum, das in einem von ihm abgegebenen eEB eingetragen ist, auch in seiner – noch in Papierform geführten – Handakte dokumentiert wird. An die Zustellung anknüpfende Fristen müssen anhand der Angaben im eEB berechnet werden.”
Das Urteil wurde der Klägerin ausweislich des eEB am 11.4.2023 über beA zugestellt. Der Prozessbevollmächtigte legte am 12.5.2023 Berufung ein und begründete diese in demselben Schriftsatz. Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schilderte der Klägervertreter die Organisation in seiner Kanzlei wie folgt:
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„In der Kanzlei des Klägervertreters sei die Fristüberwachung bei beA-Eingängen so gestaltet, dass das Dokument am Eingangstag mit einem Dateinamen gescannt/gespeichert werde, der den Absender und das Datum der Erstellung des eingegangenen Schreibens wiedergebe; zugleich werde das Datum der Speicherung erfasst. Wegen der Anordnung, dies kalendertäglich zu tun, gewährleiste der Dateiname im Zusammenhang mit der Festlegung des Erstellungsdatums eine (weitere) Bestätigung des Eingangstermins. Es werde um Akteneinsicht gebeten um zu prüfen, ob ein eEB, das laut beA nicht gespeichert werden könne, für den 11. April 2023 vorliege.”
Mit Verfügung der Akteneinsicht teilte die Vorsitzende des Berufungssenats mit, dass sich als Anlage zum Verkündungsvermerk des LG ein EB des Klägervertreters v. 11.4.2023 bei der Akte befinde. Daraufhin wiederholte die Klägerin ihre Anträge und stellte ergänzend einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist. Und führte aus:
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„Erst mit Eingang der Verfügung vom 9. Oktober 2023 sei für ihren Prozessbevollmächtigten „belastbar” klar geworden, dass tatsächlich eine Verfristung vorliege. In seiner Kanzlei würden im beA eingehende Schriftstücke am Tag der Kenntnisnahme ausgedruckt und der Papierstapel werde dem Sekretariat überstellt. Dort bestehe die generelle Anweisung, die Schriftstücke auf Fristen und Termine durchzusehen und diese im System zu notieren. Dem Klägervertreter würden die Schriftstücke nach Erfassung zur körperlichen Akte erneut vorgelegt, wobei der Posteingangsstapel separat gehalten werde. Er verfüge dann per Diktat die notwendige Weiterbearbeitung und weise zu Beginn des Diktats unter Nennung des Posteingangsdatums an, dass Fristen und deren Eintrag nochmals zu überprüfen seien. Dies stelle das erforderliche Vier-Augen-Prinzip sicher. In der vorliegenden Sache habe die zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte K. die Weiterbearbeitung durchgeführt. Es habe bislang nicht nachvollzogen werden können, warum auch die zweite Sicherung versagt habe.”
Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass es
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„insbesondere an einer ausreichenden Darstellung, wie die Fristenüberwachung der Kanzlei organisiert sei, fehle. Geschildert werde letztlich nur, dass per beA eingehende Dokumente mit einem Dateinamen gespeichert würden, der das Datum der Erstellung des eingegangenen Schreibens wiedergebe. Zwar seien die gestellten Anträge statthaft, allerdings zu spät gestellt worden. Unabhängig davon seien die Wiedereinsetzungsanträge auch unbegründet.
Die Versäumung der Berufungsfrist beruhe auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, das ihr zuzurechnen sei. Aus dem Vorbringen der Klägerin gehe nicht hervor, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten die Anweisung bestanden hätte, den für die Berechnung der Berufungs- wie der Berufungsbegründungsfrist maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilszustellung (hier das Datum der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses) gesondert in der (in der Kanzlei des Klägervertreters noch in körperlicher Form geführten) Handakte zu vermerken. Der Vortrag zur Speicherung per beA eingehender Dokumente am Eingangstag lege vielmehr nahe, dass sich der Klägervertreter für die Fristenüberwachung auf die Richtigkeit des durch den Speichervorgang generierten „elektronischen Eingangsstempels” verlasse. Außerdem fehlten Ausführungen dazu, wie der Fristenkalender der Kanzlei des Klägervertreters geführt werde, insbesondere wie sichergestellt sei, dass das für den Fristbeginn maßgebliche Datum tatsächlich und zutreffend im Kalender notiert werde. Der Klägervertreter habe schließlich auch nicht dargetan, dass er bei Vorlage der Akte zur Erstellung der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift noch einmal die Fristberechnung in ausreichender Weise überprüft hätte. Die Berufung der Klägerin sei daher als unzulässig zu verwerfen.”
Der BGH sagt (mit Verweis auf st. Rspr.):
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„Hat eine Partei die Berufungsfrist versäumt, ist ihr nach § 233 Satz 1 ZPO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler von Büropersonal hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Prozessbevollmächtigte...