Zusammenfassung
Diverse BGH-Entscheidungen haben sich mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten befasst, die es für eine wirksame Schriftsatzeinreichung im elektronischen Rechtsverkehr zu beachten gilt. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist es von erheblicher Bedeutung, die verschiedenen Organisationsanforderungen, welche im Anwaltsbüro beginnen und je nach verwendeter Signatur variieren, zu kennen und rechtlich einzuordnen.
I. Unterschiedliche Signaturen
Wann genügt eine einfache elektronische Signatur (eeS), wann ist eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS) erforderlich und wann dürfen eeS und qeS von unterschiedlichen Personen stammen? Es folgen dazu drei BGH-Entscheidungen, die für die Praxis wichtig sind.
1. Einfache Signatur – technische Anforderungen (BGH, Beschl. v. 30.11.2023 – III ZB 4/23)
„Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO genügt es, wenn am Ende des Schriftsatzes der Name des Verfassers maschinenschriftlich wiedergegeben ist.”
Was so einfach klingt, ist in der Praxis immer noch nicht selbstverständlich: Im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) sind Dokumente elektronisch zu übermitteln. Dazu bedarf es keines Druckers. Im vorliegenden Fall hatte ein Rechtsanwalt zunächst die Schriftsätze ausgedruckt, unterschrieben und dann wieder eingescannt, um sie sodann über beA zu übermitteln. Diese Handhabung gelang ihm auch bei zwei fristgebundenen Schriftsätzen. Beim Versuch, auch den dritten Schriftsatz derart zu übersenden, streikte jedoch sein „ansonsten zuverlässig arbeitender Kanzleidrucker Canon” gegen 22:30 Uhr und meldete einen unbekannten Fehler, sodass der Druckbefehl nicht ausgeführt werden konnte. Der Rechtsanwalt erklärte seine Arbeitsweise wie folgt: Er habe sich um Fehlerbehebung bemüht, dann jedoch erkannt, dass dies bis zum Fristablauf nicht mehr gelingen konnte. Daher habe er seinen „Back-up-Drucker, Modell Brother” aktiviert. Dieser arbeite zuverlässig, verfüge im Vergleich zu dem Canon-Drucker jedoch nur über eine erheblich geringere Druckgeschwindigkeit.
Da er befürchtete, dass ihm die drucktechnische Ausfertigung des umfangreichen Berufungsbegründungsschriftsatzes samt Anlagen mit dem Back-up-Drucker nicht mehr fristgerecht gelingen würde, habe er unter Verweis auf die technischen Schwierigkeiten, welche die Ausfertigung und Übermittlung verzögert hätten, einen kurzen Schriftsatz zur Fristverlängerung um einen Tag gefertigt. Dieser Schriftsatz habe jedoch erst um 2:04 Uhr des Folgetages per beA übermittelt werden können – zuvor seien drei Übermittlungsversuche am 14.7.2022 um 23:46 Uhr, 23:53 Uhr und 23:56 Uhr – aufgrund einer technischen Störung im beA – gescheitert. Er habe sich dann weiter um die Fehlerbehebung am Canon-Drucker bemüht. Nach eingehender Befassung mit dem Drucker-Handbuch und Neuinstallation des Druckertreibers sei ihm dies schließlich gelungen, sodass er am 15.7.2022 die Berufungsbegründung habe ausfertigen und per beA übermitteln können und mit einem weiteren Schriftsatz am 15.7.2022 habe er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen können.
Der BGH geht von einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten aus. Dieser habe am 14.7.2022 lediglich versucht, einen Fristverlängerungsantrag per beA an das Berufungsgericht zu übermitteln. Dieser sei jedoch mangels Einwilligung der Gegenseite, welche realistischerweise auch nicht mehr zu erlangen sei, nicht erfolgversprechend sein können. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar dargetan worden, dass für eine Übermittlung per beA ein Ausdrucken des Schriftsatzes nötig gewesen sei.
Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedürfe
Zitat
„einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt an Eides statt oder unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war.”
Hinweis:
Zur Herstellung eines Dokuments im PDF-Format ist es nicht notwendig, es zuvor auszudrucken und sodann einzuscannen. Der vorherige Ausdruck des Dokuments ist auch nicht notwendig, um die bei Übermittlung aus dem beA erforderliche einfache Signatur anzubringen. Hierfür ist es nicht erforderlich, das Dokument handschriftlich zu signieren und wieder einzuscannen. Vielmehr genügt für die einfache Signatur die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers am Ende des Textes.
2. Signierung für ein Sozietätsmitglied (BGH, Beschl. v. 28.2.2024 – IX ZB 30/23)
„Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes ("für"‘) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.”
Hier hat der BGH zur S...