Der BGH will vom EuGH klären lassen, ob Fluggäste eines mehrgliedrigen Flugs auch dann in Deutschland klagen können, wenn der verspätete Anschlussflug weder hierzulande startet noch landet. Der BGH selbst bejaht die Frage, will dies ohne den EuGH aber nicht entscheiden, weil die einschlägige Vorschrift EU-Recht ist (Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Brüssel-I-Verordnung).

Im Ausgangsfall verlangt der Kläger eine Ausgleichszahlung i.H.v. 400 EUR wegen eines verspäteten Flugs nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). Der Kläger buchte bei der Fluggesellschaft Air France unter deren Flugnummern eine Flugverbindung von Stuttgart über Paris nach Helsinki. Die Beförderung von Paris nach Helsinki erfolgte im Wege des Code-Sharing durch Finnair, die in Finnland ansässige Beklagte. Der Flug auf dieser zweiten Teilstrecke hatte eine Verspätung von drei Stunden und zwanzig Minuten.

Das vom Kläger angerufene Amtsgericht, in dessen Bezirk der Flughafen Stuttgart liegt, hat die Klage mangels Zuständigkeit der deutschen Gerichte abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Landgericht führte aus, die internationale Zuständigkeit könne sich allenfalls aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b Brüssel-I-VO ergeben. Indes liege im Inland gerade kein Erfüllungsort. Der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch knüpfe ausschließlich an den verspäteten Flug der Teilstrecke von Paris nach Helsinki an.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH meint demgegenüber, in der vorliegenden Fallgestaltung sei ein Gerichtsstand ebenso am Abflugort der ersten Teilstrecke, also am Flughafen Stuttgart, eröffnet. Dies folge aus zwei Überlegungen: Zum einen dürfe eine Klage auf Ausgleichszahlung auch dann im Gerichtsstand des der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertrags erhoben werden können, wenn das nach der Fluggastrechteverordnung verpflichtete "ausführende Luftfahrtunternehmen" nicht zugleich der Vertragspartner des Fluggasts sei. Dafür spreche bereits, dass die Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung eine vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung voraussetzen. Zum anderen dürfe bei einer nach dem Vertrag mehrgliedrigen Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort anzusehen sein, wenn die Klageansprüche aus Ereignissen auf einer anderen Teilstrecke resultieren. Dies entspräche einer konsequenten Anknüpfung an die vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung.

Der EuGH hatte sich mit der vorliegenden Fallgestaltung noch nicht befasst. In einer anderen Rechtsstreitigkeit hat er zwar entschieden, dass der Kläger bei der Durchsetzung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zwischen dem Gericht des Ortes des Abflugs und dem des Ortes der Ankunft des Flugzeugs wählen kann (Urt. v. 9.7.2009 – C-204/08). Diese Entscheidung betraf aber eine eingliedrige Flugverbindung, die vom Vertragspartner des Fluggasts selbst durchgeführt wurde.

Einen Überblick über Vertragsstörungen bei der Pauschal- und Flugreise gibt Risse in ihrem Beitrag in ZAP F. 6, S. 499 ff. (in diesem Heft).

[Quelle: BGH]

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?