1. Urteil v. 24.9.2014 (5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407)
Bei kirchlichen Arbeitgebern (Tendenzbetriebe) sieht die ganze Sache zumindest nach Ansicht des BAG schon ganz anders aus. Der Leitsatz zur o.a. Entscheidung lautet:
Zitat
"Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu einem zumindest neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen."
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, den Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, ist nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht ist zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemesse (s. Rn. 65 Entscheidungsgründe).
2. Urteil v. 10.10.2002 (2 AZR 472/01, NZA 2003, 483 = NJW 2003, 1685)
Mit der praktischen Konkordanz zwischen Religionsausübungsfreiheit und Direktionsrecht befasste sich das BAG bereits 2002. Der amtliche Leitsatz dieser Entscheidung lautet:
Zitat
"Das Tragen eines – islamischen – Kopftuchs allein rechtfertigt regelmäßig noch nicht die ordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen nach § 1 Abs. 2 KSchG."
Zur Begründung wird ausgeführt: Eine Arbeitnehmerin ist – anders etwa als eine Lehrerin an einer Grund- oder Hauptschule im Beamtenverhältnis auf Grund der Besonderheiten des öffentlichen Dienstrechts und des Art. 33 Abs. 2 GG (BVerwG, Urt. v. 4.7.2002 – 2 C 21.01, NJW 2002, 3344) – in der Lage, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Verkäuferin auch dann noch zu erfüllen, wenn sie bei ihrer Tätigkeit ein – islamisches – Kopftuch trägt.
Das Tragen eines Kopftuchs aus religiöser Überzeugung fällt in den Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), die durch die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) noch verstärkt wird (BVerfG, Beschl. v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66, BVerfGE 24, 236, 245). Das Grundrecht umfasst die Freiheit, nach eigener Glaubensüberzeugung zu leben und zu handeln (BVerfG, Beschl. v. 19.10.1971 – 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, 98, 106; 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 15). Dabei schützt es nicht nur christliche Glaubensentscheidungen und Religionsausübungen, sondern ist offen für die Entfaltung verschiedener Religionen und Bekenntnisse (BVerfG, Beschl. v. 19.10.1971 – 1 BvR 387/65, BVerfGE 32, 98, 106) und beschränkt sich als sog. Jedermannrecht nicht allein auf die deutschen Staatsbürger (BK-Zippelius, a.a.O., Art. 4 Rn. 30 und 66; Hillgruber JZ 1999, 538, 540 f.; Böckenförde NJW 2001, 723, 724).