Nach Art. 2 Buchst. l VO ist die "Annullierung" die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Im Unterschied zur Nichtbeförderung eines oder mehrerer Fluggäste wird der gesamte Flug für alle Fluggäste endgültig abgesagt.
Hinweis:
Abzugrenzen ist die Annullierung des Fluges von der Flugverspätung, da nicht schon jede Nichtbeförderung zur angegebenen Zeit eine Annullierung darstellt, sondern nur die endgültige Nichtdurchführung oder eine so große Verzögerung des Fluges, dass diese einer endgültigen Absage gleichkommt (LG Darmstadt RRa 2006, 227). Erst bei einer Verzögerung von einem Tag (OLG Frankfurt/M. RRa 1997, 181 [Unmöglichkeit des Fluges]) oder auch erst von zwei Tagen (OLG Frankfurt/M. MDR 1989, 165) wurde das Vorliegen einer endgültigen Nichtbeförderung durch deutsche Instanzgerichte bejaht.
Im Fall der Annullierung des Fluges hat das Flugunternehmen ohne Entlastungsmöglichkeit dem Fluggast nach Art. 8 VO die Unterstützungsleistungen (Rückzahlung des Flugscheins oder Alternativflug) und die Betreuungsleistungen nach Art. 9 VO (Mahlzeiten, Erfrischungen oder Unterkunft) zu gewähren, vgl. Art. 5 VO. Weitergehende Ausgleichszahlungen nach Art. 7 VO hat das ausführende Luftfahrtunternehmen nur zu erbringen, wenn die Information über die Annullierung nicht rechtzeitig erfolgt oder dass Unternehmen nicht nachweisen kann, dass die Annullierung trotz zumutbarer Maßnahmen auf außergewöhnliche unvermeidbare Umstände zurückgeht (vgl. Art. 5 Abs. 3 VO).
Rechtzeitig ist die Information über die Annullierung, wenn sie mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit dem Fluggast zugeht (vgl. § 5 Abs. 1 Buchst. i). Die rechtzeitige Unterrichtung hat das ausführende Luftfahrtunternehmen zu beweisen, Art. 5 Abs. 4 VO. Erfahren die Fluggäste die Annullierung erst später, ist die Information noch rechtzeitig, wenn nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c
- die Annullierung inklusive Flugalternative zwei Wochen bis sieben Tage vor Abflugtag mitgeteilt wird, die weniger als zwei Stunden vor dem gebuchten Flug erfolgt und max. vier Stunden später das Endziel erreicht,
- die Annullierung inklusive Flugalternative weniger als sieben Tage vor Abflugtag mitgeteilt wird, die weniger als eine Stunde vor dem gebuchten Flug erfolgt und max. zwei Stunden später das Endziel erreicht.
Erfolgt die Information nicht rechtzeitig i.S.d. Art. 5 VO, kann sich das Unternehmen durch "außergewöhnliche unvermeidbare Umstände" entlasten, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, vgl. Art. 5 Abs. 3 VO. Als außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände anerkannt sind (s. Führich MDR 2007, Beilage zu Nr. 7, S. 4):
- höhere Gewalt (Naturkatastrophen, politische Unruhen, Krieg, Terroranschläge oder akute Terrorbedrohung, usw.),
- technische Defekte durch unvermeidbare Einflüsse von außen (Vögel, Hagel, Blitzschlag, usw.),
- unerwartete Flugsicherheitsmängel und Schlechtwetter,
- Streik des eigenen und fremden Flughafenpersonals.
Die Entlastungsgründe müssen daher außerhalb der betrieblichen Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen. Mit pauschalen Aussagen zu technischen Problemen am Flugzeug kann sich ein Luftfahrtunternehmen nicht entlasten (AG Frankfurt/M. RRa 2007, 133). Allerdings können unter gewissen Voraussetzungen technische Probleme außergewöhnliche Umstände darstellen (EuGH RRa 2007, 261; LG Berlin, RRa 2008, 89; LG Köln, RRa 2008, 185).