Frage:
Das beA sollte schon zum 1.1.2016 kommen. Warum ist es bis heute nicht da?
Zum 1.1.2016 wurde in § 31a Abs. 1 BRAO aufgenommen:
§ 31a Besonderes elektronisches Anwaltspostfach
"Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein. Nach Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Bundesrechtsanwaltskammer dessen Bezeichnung an die zuständige Rechtsanwaltskammer zur Speicherung in deren Verzeichnis. (...)"
Das beA sollte somit bereits zum 1.1.2016 in Betrieb sein. Aus technischen Gründen wurde die Inbetriebnahme am 27.11.2015 jedoch zunächst auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Parallel zeichnete sich Widerstand in der Anwaltschaft gegen die zwangsweise Freischaltung des beA ohne Zutun des Anwalts ab, zumal schon frühzeitig auf Haftungsrisiken hingewiesen wurde, die sich ergäben, wenn Anwälte ihr beA nicht regelmäßig auf Posteingänge kontrollieren würden.
Das beA eines jeden Anwalts sollte nach Ansicht der BRAK ohne Ausnahme eingerichtet und damit ab Inbetriebnahme empfangsbereit sein. Das heißt, Zustellungen von Gerichten sollten ab Freischaltung in das beA des Anwalts erfolgen. Lediglich zur "Abholung" der Post, d.h. für den Zugriff auf die eingegangene Post ist die Erstregistrierung des Anwalts unter seiner Mitwirkung erforderlich (Brosch/Sandkühler NJW 2015, 2761 [li. Sp.]).
Die BRAK schrieb an alle zugelassenen Anwälte in Deutschland mit Brief vom 17.8.2015: "Ich bitte Sie, die beA-Karte so bald als möglich zu bestellen. Sie ist Voraussetzung für den Zugriff auf Ihr am 1.1.2016 empfangsbereites beA-Postfach. Bedenken Sie: Jeder Kollege und alle dann am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmenden Gerichte können Sie ab diesem Datum über das beA adressieren. Können Sie es sich leisten, hier relevante Post zu verpassen?"
Sofern ein Anwalt aufgrund mangelnder beA-Karten-Bestellung und Erstregistrierung keine Kontrolle seines Posteingangs im beA vornehmen könnte, würde hierin eine Obliegenheitspflichtverletzung des Anwalts angenommen (Brosch/Sandkühler NJW 2015, 2761 [re. Sp.]; vgl. dazu auch Sandkühler BRAK-Magazin 4/2015, 3). Als denkbares haftungsträchtiges Szenario wurde u.a. die fehlende Kenntnisnahme einer Ladung zur Hauptverhandlung via beA angeführt (Brosch/Sandkühler a.a.O.).
Über die Frage, was in § 31a BRAO unter "einzurichten" zu verstehen ist, herrscht Streit. Die Antragsteller (Anwälte aus Köln u. Berlin) vertraten in einem im Dezember 2015 anhängig gemachten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem AGH Berlin die Auffassung, dass das beA nicht ohne Zustimmung der Antragsteller empfangsbereit freigeschaltet werden dürfe. Die empfangsbereite Öffnung ohne Zutun des Anwalts ohne rechtliche Grundlage vor dem 1.1.2018 würde einen Eingriff in Art. 12 GG darstellen. Denn sofern die BRAK das beA der Antragsteller – wie für alle zugelassenen Anwälte in Deutschland – zwangsweise öffnen würde, könnten hier Zustellungen durch die Gerichte und Anwaltskollegen erfolgen. Schlechte Reputation und Haftung des Anwalts, der mangels Erstregistrierung diese elektronische Post nicht zur Kenntnis nähme, drohten. Die BRAK vertrat demgegenüber die Auffassung, dass mit dem Begriff des "Einrichtens" die Empfangsbereitschaft des beA ausnahmslos für alle zugelassenen Anwälte gemeint sei und zwar unabhängig von einer etwaigen Erstregistrierung. Argument: Der Gesetzgeber wollte keine "toten Briefkästen": "Ohne eine passive Nutzungspflicht sind die mit der Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verfolgten Ziele aber nicht zu erreichen", so der Gesetzgeber in der Begründung zur Änderung des § 31a BRAO zum 1.1.2018 (s. Regierungsentwurf vom 3.8.2016 des Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, Art. 1 Nr. 8c, S. 6).
Dass für jeden Rechtsanwalt von der BRAK ein elektronischer Briefkasten eingerichtet werden soll, ist nicht strittig. Streit besteht vielmehr bisher darüber, ob dieser elektronische Briefkasten, ohne Zutun des Anwalts, empfangsbereit geöffnet ist und Gerichte und andere Anwälte sowie weitere Kommunikationspartner Post über das beA zustellen können mit der Folge, dass das beA regelmäßig auf Posteingänge zu kontrollieren wäre.
Nachdem die BRAK einen im Februar 2016 in diesem Verfahren vor dem AGH Berlin geschlossenen Vergleich im März widerrufen hatte, entschied der AGH Berlin am 6.6.2016, dass ohne ausdrückliche Zustimmung der antragstellenden Anwälte das beA für diese zum Empfang nicht freigeschaltet werden darf (AGH, Beschl. v. 6.6.2016 – II AGH 15/15 u. 16/15, NJW 2016, 2195 = AnwBl 2016, 601).
Noch am 8.6.2016 war davon auszugehen, dass die Freischaltung des beA für alle Anwälte erfolgen sollte, auch wenn sie die Erstregistrierung nicht vorgenommen haben, da die BRAK auf ihrer Internetseite festhielt ( bea.brak.de/2016/04/14/elektronisches-anwaltspostfach-geht-...