Für die Feststellung und die Bejahung eines bußgeldbewehrten Verstoßes gegen § 4 StVO müssen noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Erforderlich ist zunächst, dass der erforderliche Sicherheitsabstand zu irgendeinem Zeitpunkt der Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar unterschritten wurde (OLG Hamm zfs 2015, 711 = VRR 3/2015, 2 [Ls.] = VA 2015, 69; OLG Koblenz VRR 2007, 232 [Ls]; OLG Rostock VRR 2014, 473 = VA 2014, 209 = NZV 2015, 405 [Ls.]). Die Abstandsunterschreitung ist nicht nur auf "nicht nur ganz vorübergehende" Unterschreitungen beschränkt (OLG Hamm a.a.O.; s. wohl auch OLG Hamm VA 2012, 209 = VRR 2013, 35 = NZV 2013, 203; VA 2013, 194 = VRR 2013, 432 = DAR 2013, 656).
Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es aber dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden kann (OLG Hamm VRR 2013, 35 = NZV 2013, 203 = VA 2012, 209; DAR 2013, 656 = VA 2013, 194 = VRR 2013, 432; zfs 2015, 711 = VA 2015, 69 = VRR 3/2015, 2 [Ls.]; dazu auch schon OLG Hamm NZV 1994, 70 = VRS 86, 362; OLG Koblenz zfs 2007, 589; VRR 2007, 322 [Ls]). Bei höheren Geschwindigkeiten ist insoweit eine Strecke von 250–300 m erforderlich (OLG Celle VRS 55, 448; OLG Düsseldorf NZV 1993, 242; DAR 2002, 464 = VRS 103, 305 = NZV 2002, 519; OLG Hamm a.a.O.; OLG Köln DAR 1983, 364; OLG Zweibrücken VRS 85, 217; AG Homburg/Saar DAR 1998, 31 = zfs 1997, 393; s. aber OLG Celle NZV 1991, 281). Das OLG Hamm hat jedoch vor einiger Zeit im Einzelfall auch schon eine Fahrstrecke von 150 m ausreichen lassen (OLG Hamm VRR 2013, 35 = VA 2012, 209 = NZV 2013, 203), das AG Lüdinghausen lehnt bei einer Fahrstrecke von nur 110–120 m einen Abstandsverstoß hingegen ab (AG Lüdinghausen VA 2013, 87 = NZV 2013, 203 = VRS 124, 165 = VRR 2013, 123 [Ls.]). Inzwischen sieht das OLG Hamm einen "nicht nur vorübergehenden Verstoß" jedenfalls dann als gegeben an, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 sec. oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140 m betragen hat (VRR 2013, 432 = VA 2013, 194 = DAR 2013, 656; vgl. auch noch OLG Rostock VRR 2014, 473 = VA 2014, 209 = NZV 2015, 405 [Ls]).
Hinweis:
Das gilt im Fall des § 4 Abs. 3 StVO allerdings nicht für Lkw und Omnibusse (vgl. oben II. 1. b). Das Unterschreiten des hier vorgeschriebenen 50 m-Abstands ist vielmehr grundsätzlich auch dann bußgeldbewehrt, wenn es nur vorübergehend geschieht (OLG Zweibrücken NZV 1997, 283).
Darüber hinaus muss der zu geringe Abstand den Vordermann nicht konkret gefährdet haben (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 4 Rn 6 a.E. [im Folgenden kurz: Hentschel/König/Dauer, StVR). Ob eine konkrete Gefährdung vorliegt oder nicht, ist jeweils Tatfrage und erfordert die Berücksichtigung aller Umstände (Hentschel/König/Dauer/König, StVR, § 4 Rn 6 a.E.; vgl. auch OLG Hamm zfs 2015, 711 = VA 2015, 69 = VRR 3/2015, 2 [Ls.]). Kann sie festgestellt werden, kann neben dem Verstoß gegen § 4 StVO ggf. auch noch ein Verstoß gegen § 1 StVO gegeben sein.