a) Widerlegung der Regelvermutung des § 69 StGB
Wenn der Angeklagte die Zeit bis zur Hauptverhandlung genutzt hat, um eine mehrmonatige Verkehrstherapie mit 12 Einzelgesprächen von je 60 Minuten sowie sechs Alkoholseminaren zu je 90 Minuten Dauer bei einem Verkehrspsychologen und Suchtberater pp. durchzuführen, kann von der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) abgesehen werden (AG Tiergarten VA 2017, 125; ähnlich AG Tiergarten VA 2015, 155). Die Regelvermutung der charakterlichen Ungeeignetheit kann auch entfallen, wenn der Angeklagte während der Zeit der rund neunmonatigen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis beruflich und persönlich eine positive Entwicklung durchlaufen hat, insbesondere sein Verhalten in Bezug auf den Konsum von Alkohol verändert hat, und er sich, um seine eigenen Einsichten und Verhaltensänderungen weiter zu stabilisieren, bereits um einen MPU-Vorbereitungskurs bemüht (AG Tiergarten a.a.O.). Der Tatrichter hat i.d.R. keine eigene Sachkunde in der Frage, ob die Teilnahme des Angeklagten an einem Nachschulungskurs oder an einer psychotherapeutischen Behandlung erfolgreich war und den gesetzlich vermuteten Eignungsmangel (§ 69 Abs. 2 StGB) ausräumen kann, wenn ein langer Zeitablauf zwischen Tat und Urteil gegeben ist und der Angeklagte 180 Therapiestunden abgeleistet hat (OLG Karlsruhe VRS 131, 1 = VRR 3/2017, 14).
b) Sperrfrist (§ 69a StGB)
Sowohl das Unterbleiben einer Entschuldigung als auch das Fehlen eines zum Ausdruck gebrachten Bedauerns lassen ohne weitere Umstände keinen Schluss auf eine rechtsfeindliche, durch besondere Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Interessen und Rechtsgütern anderer geprägte Gesinnung oder Gefährlichkeit des Angeklagten zu. Diese Umstände dürfen daher – ebenso wie bei der Strafzumessung – bei der eignungsbezogenen Prognoseentscheidung im Rahmen der Sperrfristbemessung des § 69a StGB keine Berücksichtigung zum Nachteil des Angeklagten finden (BGH zfs 2017, 49 = VA 2016, 190).
c) Fahrverbot (§ 44 StGB)
Es ist nach wie vor h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass ein nach § 44 StGB verhängtes Fahrverbot nach einem längeren Zeitablauf von i.d.R. zwei Jahren seinen spezialpräventiven Zweck und damit seine eigentliche Bedeutung verliert, so dass nur noch der Pönalisierungscharakter als Sanktionsinhalt übrig bleibt. Es bedarf dann besonderer Umstände für die Annahme, dass zu einer nach wie vor erforderlichen erzieherischen Einwirkung auf den Täter die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe unbedingt erforderlich ist (vgl. zuletzt u.a. OLG Hamm VRR 1/2017, 16 = VA 2017, 47 m.w.N.; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.3.2017 – 21 Ns 179/16). Bei der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots gem. § 44 StGB abzusehen ist, ist die zwischen der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidung des Revisionsgerichts verstrichene Zeit nicht zu berücksichtigen (OLG Stuttgart NZV 2016, 292 = VRR 7/2016, 14 = VA 2016, 119). Auf das nach § 44 StGB angeordnete Fahrverbot ist die Schonfristvorschrift des § 25 Abs. 2a StVG nicht entsprechend anwendbar (KG VRR 1/2017, 3 [Ls.] = VA 2017, 52).