"Der BGH muss immer wieder in Erinnerung rufen, dass der Sachverständige nicht derjenige ist, der die Rechtsfragen entscheidet" (Kniffka, a.a.O., S. 129). Diese sachverständige Kompetenzüberschreitung geschieht freilich in der Praxis oft unbewusst und subtil und wird von Seiten des Gerichts nicht immer bemerkt. Diese subtile Grenzüberschreitung liegt vor allem dann vor, "wenn der Gutachter rechtliche Einordnungen vornimmt, die die Grundlage für die Fachfrage ist. Das Problem liegt darin, dass der Gutachter zur Beantwortung vieler Beweisfragen ein gewisses rechtliches Vorverständnis entwickelt haben muss, um die Beweisfragen zu verstehen und beantworten zu können, andererseits aber keine eigene rechtliche Bewertung vornehmen darf" (Kniffka, a.a.O., S. 129).
Besonders praxisrelevant ist z.B. die Unterscheidung, ob eine vom Sachverständigen zu beantwortende Frage, nach dem Zustand einer Sache einen – vom Richter zu klärenden – Fehler darstellt, denn hierfür ist der Inhalt der Parteivereinbarung maßgeblich und auszulegen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 597 ff.). Der Sachverständige könnte sich daher nur zu dem Zustand der Sache äußern, nicht zu rechtlichen Folgerungen hieraus.
Auch die Tatsache der unterschiedlichen Kausalitätsmaßstäbe ist eine häufige Quelle sachverständiger Fehler. Der Fehler kommt vorwiegend dann vor, wenn der Sachverständige auch sozialrechtliche Fragen bzw. Fragen im Rahmen der Unfallversicherung bearbeitet. Dort gilt nämlich die "Theorie der wesentlichen Bedingung", während im einfachen Schadensrecht die schlichte Kausalität, sogar Mitkausalität im Rahmen der Äquivalenztheorie genügt, die dann freilich in weiteren Schritten eingeschränkt wird (vgl. bereits BGH NJW 1951, 711 ff.).
Praxishinweise:
Gewichtet der Sachverständige bereits bei der Haftungsbegründung Kausalitätsbeiträge durch prozentuale Verursachungsbeiträge (vgl. OLG München NJW 2011, 3729, 3731; BGH NJW 1994, 801 ff.) oder schließt er solche aus, weil sie nicht "wesentlich" seien, liegt eine Verkennung des Kausalitätsbegriffs nahe. Für Fragen des Nachweises der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 287 ZPO) ist bereits bei Abfassung des Beweisbeschlusses darauf hinzuweisen, dass reduzierte Kausalitätsanforderungen bestehen und je nach Lage des Einzelfalls eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit ausreichen kann (vgl. BGH NJW 2004, 2828 f.). "Das Verkennen des Beweismaßes führt zur Unvollständigkeit des Gutachtens und damit zu Zweifeln an der Richtigkeit der Feststellungen der Vorinstanz" (BGH NJW 2009, 1193).
Hinzuweisen ist noch darauf, dass Leitlinien oder DIN-Normen nicht unbesehen mit dem Standard oder den allgemein anerkannten Regeln der Technik oder gar mit Rechtsnormen verwechselt werden dürfen (vgl. zu Leitlinien BGH NJW 2014, 1053, 1055 und zu DIN-Normen BGH NJW 1998, 2814 ff.).