Eine Besonderheit für Ehesachen, also insbesondere für Scheidungsverbundverfahren, ist in § 48 Abs. 3 RVG enthalten. Die Beiordnung des Rechtsanwalts in einer Ehesache (§ 121 FamFG) erstreckt sich auch auf den Abschluss eines Vertrags i.S.d. Nr. 1000 VV RVG, also einer Vereinbarung, die
- den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
- den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
- die Sorge der Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
- die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
- die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung,
- die Rechtsverhältnisse am Haushalt und
- Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht
betrifft. In diesen Fällen erstreckt sich die Verfahrenskostenhilfe automatisch auch auf alle mit der Herbeiführung der Einigung angefallenen Kosten. Hier bedarf es also noch nicht einmal der Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe.
Beispiel 15 – Mehrwertvergleich in Ehesachen (I):
In der Ehesache ist beiden Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Im Scheidungstermin wird eine Folgenvereinbarung über den nachehelichen Unterhalt geschlossen. Die Werte werden wie folgt festgesetzt: Ehesache 8.000,00 EUR, Versorgungsausgleich 1.600,00 EUR, Unterhalt 5.000,00 EUR.
Aufgrund der gesetzlichen Erstreckung in § 48 Abs. 3 RVG bedarf es für den Mehrwert des Vergleichs keines Erstreckungsbeschlusses. Vielmehr kann der Anwalt neben den Gebühren und Auslagen aus den anhängigen Gegenständen auch seine Gebühren und Auslagen aus dem Vergleichsmehrwert abrechnen. Maßgebend sind allerdings die Gebührenbeträge des § 49 RVG.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 9.600,00 EUR) |
399,10 EUR |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 5.000,00 EUR) |
205,60 EUR |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 14.600,00 EUR, § 49 RVG |
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435,50 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 14.600,00 EUR) |
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402,00 EUR |
4. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 5.000,00 EUR) |
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385,50 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.243,00 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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236,17 EUR |
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Gesamt |
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1.479,17 EUR |
Der Katalog des § 48 Abs. 3 RVG ist nicht auf Folgesachen beschränkt, sondern gilt auch für Gegenstände, die nicht Folgesache sein können, solange sie unter den Katalog des § 48 Abs. 3 RVG fallen, wie etwa ein Vergleich über Trennungsunterhalt (OLG Nürnberg AGS 2011, 185 = MDR 2011, 325 = AnwBl 2011, 230 = NJW 2011, 1297 = Rpfleger 2011, 278 = FamRZ 2011, 1976 = NJW-Spezial 2011, 124 = FamFR 2011, 88 = FuR 2011, 349) oder Nutzungsentschädigung für die Ehewohnung.
Praxishinweis:
Werden im Scheidungsverfahren sonstige Gegenstände im Wege des Mehrwertvergleichs geregelt, die nicht unter den Katalog des § 48 Abs. 3 RVG fallen, muss die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe beantragt werden.
Beispiel 16 – Mehrwertvergleich in Ehesache (II:)
Im Scheidungsverfahren ist den Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Im Termin wird ein Vergleich auch über eine streitige Forderung auf Gesamtschuldnerausgleich i.H.v. 5.000,00 EUR geschlossen.
Die Vorschrift des § 48 Abs. 3 RVG greift jetzt nicht. Es bedarf vielmehr eines gesonderten Beschlusses für die Beiordnung (s. unten 3.).
Unklar ist, allerdings, ob § 48 Abs. 3 RVG auch von den Gerichtkosten, also insbesondere der Vergleichsgebühr nach Nr. 1500 FamGKG-KostVerz., freistellt. Dem Wortlaut nach ist das nicht der Fall, da § 48 Abs. 3 RVG nur die Beiordnung, also den Anwalt, betrifft. Für die Gerichtskosten bedarf es aber auch der Erstreckung der Bewilligung. Diese ist in § 48 Abs. 3 RVG nicht enthalten und kann darin auch nicht enthalten sein, weil das RVG nur für die Anwaltsvergütung gilt, nicht aber auch für die Gerichtskosten. Insoweit bedarf es also streng genommen einer zusätzlichen Bewilligung. In der Praxis wird dieses Problem aber offenbar nicht gesehen. Vorsorglich sollte daher ein entsprechender Antrag gestellt werden.