Wird im Übrigen ein Mehrwertvergleich geschlossen, erstreckt sich die bewilligte Prozess- und Verfahrenskostenhilfe nicht automatisch auf den Mehrwert des Vergleichs. Hier muss zusätzlich beantragt werden, die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken. Dieser Antrag muss spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden (BAG AGS 2012, 406 = zfs 2012, 465 = NJW 2012, 2828 = MDR 2012, 1104 = NZA 2012, 1390 = RVGreport 2012, 236). Er kann hiernach nicht mehr nachgeholt werden. Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (BAG MDR 2004, 415).
Der Beschluss, der die Erstreckung anordnet, sollte eindeutig sein. Die Rechtsprechung ist zum Teil großzügig und lässt z.B. eine Formulierung ausreichen, wenn „Prozesskostenhilfe in vollem Umfang“ bewilligt worden ist und für den Abschluss eines Mehrvergleichs zuvor ausdrücklich oder konkludent Prozesskostenhilfe beantragt wurde (LAG Hamm AGS 2018, 190).
Praxishinweis:
Mit unklaren Formulierungen sollte der Anwalt sich nicht zufriedengeben. Eine vom Richter gut gemeinte Formulierung kann ansonsten am Widerstand des Bezirksrevisors scheitern.
Umstritten war lange Zeit, welche Auswirkungen ein Beschluss hat, mit dem die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs erstreckt wird, also welche Gebühren davon erfasst seien. Hier wurde zum Teil vertreten, die Beiordnung erstrecke sich nur auf die Einigungsgebühr selbst, nicht aber auch auf die Verfahrensdifferenz- und die höhere Terminsgebühr. Der BGH hat mit Beschluss vom 17.1.2018 klargestellt, dass sich die Erstreckung auf alle Gebühren bezieht, also nicht nur auf die Einigungsgebühr, sondern auch auf die Verfahrensdifferenzgebühr und die höhere Terminsgebühr (AGS 2018, 141 = FamRZ 2018, 602 = NZFam 2018, 361 = JurBüro 2018, 198 = NJW 2018, 1679 = MDR 2018, 691 = Rpfleger 2018, 478 = FamRB 2018, 148 = NJW-Spezial 2018, 220 = FuR 2018, 256 = RVGreport 2018, 315).
Beispiel 17 – Mehrwertvergleich mit Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe:
In einem Unterhaltsverfahren ist den Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Im Termin wird ein Vergleich geschlossen über den Unterhalt (monatlicher Betrag 800,00 EUR) sowie über nicht anhängigen streitigen Gesamtschuldnerausgleich i.H.v. 5.000,00 EUR.
Der Anwalt erhält, ohne dass es einer weiteren Erstreckung bedarf, auch die Verfahrensdifferenzgebühr sowie die Terminsgebühr aus dem Gesamtwert, allerdings berechnet nach den Gebührenbeträgen des § 49 RVG.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 9.600,00 EUR) |
399,10 EUR |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 5.000,00 EUR) |
205,60 EUR |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 14.600,00 EUR, § 49 RVG |
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435,50 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 14.600,00 EUR) |
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402,00 EUR |
4. |
1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 9.600,00 EUR) |
307,00 EUR |
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5. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 5.000,00 EUR) |
385,50 EUR |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 14.600,00 EUR, § 49 RVG |
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502,50 EUR |
6. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.360,00 EUR |
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7. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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258,40 EUR |
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Gesamt |
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1.618,40 EUR |
Autor: Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
ZAP F. 24, S. 953–966