Der Streit vor den Sozialgerichten geht meist um die zutreffende Einschätzung der Höhe des GdB/Gesamt-GdB und ferner darum, ob weitere gesundheitliche Merkmale, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, vorliegen. Entscheidungserheblich sind hierbei regelmäßig die medizinische Beurteilung von Gesundheitsstörungen und die Einschätzung der Auswirkung von Funktionsbeeinträchtigungen.
Es kann sich empfehlen, bereits vor der Klageerhebung durch Rücksprache mit den Ärzten, die den Widerspruchsführer bzw. Kläger behandeln, den medizinischen Sachverhalt aufzubereiten, um dann bereits in der Klageschrift in kurzer Form die Klage zu begründen, jedenfalls aber einen (oder soweit verschiedene Fachgebiete betroffen sind: mehrere) ärztliche Sachverständige zu benennen. Unterbleibt dies, so wird das Gericht u.U., nachdem es zunächst von Amts wegen nach Vorlage der Erklärung über die Befreiung von der Schweigepflicht schriftliche Zeugenaussagen von den behandelnden Ärzten eingeholt hat, ohne Zuwarten auf die (weitere) Klagebegründung einen Sachverständigen seiner Wahl beauftragen, soweit es dies im Rahmen der Amtsermittlungspflicht für erforderlich ansieht. Es bleibt dann dem Kläger nur noch der u.U. kostenträchtige Weg über § 109 SGG, um die Beauftragung "seines Gutachters" durchzusetzen, allerdings regelmäßig nur dann, wenn ein Kostenvorschuss einbezahlt wird (§ 109 Abs. 1 S. 2 SGG). Die Prozesskostenhilfe tritt hierfür nicht ein (§ 73a Abs. 3 SGG), wohl aber, soweit Deckungsschutz grds. besteht, die Rechtsschutzversicherung.
Hinweis:
Vorsicht ist angezeigt, wenn im Rahmen einer Klage beantragt wird, einen bestimmten GdB mit dem Zusatz "mindestens" verbunden wird. Entscheidet das Gericht, dass der numerisch verlangte GdB vorliegt, so ist die Klägerseite nur dann beschwert, wenn sich unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Klagebegründung ein Begehren feststellen lässt, das auf die Anerkennung eines höheren GdB gerichtet war. Fehlen solche weiteren Umstände, so wird einem Klageantrag mit einem Mindest-GdB-Wert kein umfassenderes Klagebegehren zu entnehmen sein (BSG, Urt. v. 14.6.2018 – B 9 SB 2/16 R). Andererseits dürfte, wenn ein höheres Klagebegehren im Wege der Auslegung festgestellt wird, kein vollständiges Obsiegen vorliegen – und kein Anspruch auf entsprechende volle Kostenerstattung (§ 192 SGG) – bestehen, wenn das Gericht nur den im Klageantrag als Zehnergrad genannten GdB zuspricht.
Häufig geht es bei Gericht ferner um die Anpassung der Feststellung an veränderte gesundheitliche Verhältnisse. Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 SGB X, wonach Verwaltungsakte mit Wirkung für die Zukunft (S. 1) oder (auch) für die Vergangenheit (S. 2) aufzuheben sind (nach S. 2: aufgehoben werden sollen), wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB X kommt im Sozialverwaltungsrecht eine ähnliche Funktion zu, wie im Zivilprozessrecht § 323 ZPO.
Zwei Varianten kommen hierbei in Betracht: Einmal kann sich ggü. dem früheren Zustand eine Verschlimmerung ergeben haben und der Neufestsetzungsantrag des schwerbehinderten Menschen wird abgelehnt. In der anderen Anwendungsvariante des § 48 Abs. 1 SGB X bilden sich die Beschwerden zurück. Praktisch häufig sind die Fälle der sog. Heilungsbewährung (s. hierzu ausführlich MAH SozR/Schröder, § 29 Rn 26 ff. m.w.N.): Bei bestimmten Krankheiten (etwa Krebserkrankungen) wird zunächst ein höherer GdB festgesetzt, als dies die aktuelle Funktionseinschränkung rechtfertigt (Beispiele nach den VMG: Teil B Nr. 10.2.2.5, Nr. 13.6). Die Versorgungsämter prüfen von Amts wegen, ob nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Stabilisierung des Gesundheitszustands eingetreten ist, die eine Herabsetzung des GdB rechtfertigt.
Von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X ist auszugehen, wenn sich eine Veränderung des GdB um mindestens 10 ergibt, ferner bei der Feststellung von Merkzeichen, wenn dieses zu entziehen ist. Eine Aufhebung hat dann jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft zu erfolgen (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X). Mit Wirkung für die Vergangenheit ist dies zugunsten des Betroffenen möglich (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X), zu seinen Lasten nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 – 4 SGB X möglich. Hierbei steht der Behörde Ermessen nur in atypischen Fällen zu.
Hinweis:
Der insoweit ergehende Verwaltungsakt muss nach § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, dass der aufzuhebende Bescheid mit Datum und Regelungsgegenstand ordnungsgemäß benannt und dessen Aufhebung verfügt wird (BSG, Urt. v. 13.2.2013 – B 2 U 25/11 R Rn 31 ff.. s. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 28.3.2019 – L 10 SB 111/17, hierzu Böttinger, juris PR-SozR 12/2009 10 Anm. 5).
§ 45 SGB X erlaubt die Rücknahme von ursprünglich rechtswidrigen B...