Grundsätzlich bedarf nach § 168 SGB IX jede Kündigung (Beendigungs- oder Änderungskündigung, ordentliche oder außerordentliche Kündigung) des Arbeitsverhältnisses schwerbehinderter Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB unwirksam. Die Zustimmung des Integrationsamts ist nach § 175 S. 1 SGB IX auch dann erforderlich, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der erwerbsunfähig auf Zeit ohne Kündigung erfolgt (§ 175 SGB IX).
Der Sonderkündigungsschutz nach § 168 SGB IX greift zunächst dann ein, wenn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs der für die Schwerbehinderteneigenschaft erforderliche GdB bereits festgestellt oder der Grad offensichtlich (z.B. bei Blindheit) ist. § 168 SGB IX ist aber gem. § 173 Abs. 3 SGB IX auch dann anwendbar, wenn die dort in Bezug genommene Frist des § 152 Abs. 1 S. 3 SGB IX von drei Wochen abgelaufen ist, das Versorgungsamt eine Entscheidung noch nicht getroffen hat und die fehlende Feststellung nicht auf unzureichender Mitwirkung des Arbeitnehmers (s. § 60 SGB I) beruht (s. BAG, Urt. v. 1.3.2007 – 2 AZR 217/06). Ein Antrag ist somit im Hinblick auf die Sicherung eines Kündigungsschutzes nur dann rechtzeitig gestellt, wenn er 3 Wochen vor dem Kündigungszugang beim Versorgungsamt eingeht, (BAG a.a.O. Rn 43). Ist nach rechtzeitiger Antragstellung zwar ein Bescheid erteilt worden, der einen nicht ausreichenden GdB aufweist, so besteht auch dann der Sonderkündigungsschutz, wenn erst im Widerspruchs- oder Klageverfahren die Schwerbehinderteneigenschaft erreicht wird (BAG, Urt. v. 29. 11. 2007 – 2 AZR 613/06).
Hinweise:
1. Die vorstehenden Grundsätze gelten nach dem Wortlaut der Bestimmungen nur für die Feststellung der Behörden auf Vorliegen einer Behinderung nach § 152 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Nach der Rechtsprechung des BAG gelten sie entsprechend für die Gleichstellungsfeststellung durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 151 Abs. 2 SGB IX (s. BAG, Urt. v. 1.3.2007 – 2 AZR 217/06, Rn 29).
2. Gleiches gilt für die Anwendung von § 175 SGB IX. Hinsichtlich des insoweit bestehenden Sonderkündigungsschutzes gilt: Bereits drei Wochen vor dem Auflösungszeitpunkt muss ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft oder ein Antrag auf Gleichstellung gestellt worden sein. Bei auflösend bedingten Arbeitsverträgen hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gemäß §§ 15 Abs. 2, 21 TzBfG über den Eintritt der auflösenden Bedingung zu unterrichten. Die Zustimmung des Integrationsamts ist auch dann einzuholen, wenn zwar bei Zugang dieser Unterrichtung die Anerkennung der Schwerbehinderung oder die Gleichstellung mit einem schwer behinderten Menschen noch nicht erfolgt ist, aber die entsprechende Antragstellung mind. drei Wochen zurückliegt (BAG, Urt. v. 16.1.2018 – 7 AZR 622/15, NZA 2018, 925).
Häufig haben Arbeitgeber keine Kenntnis, ob der zu kündigende Arbeitnehmer als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist. In diesem Fall kann sich der Arbeitnehmer zwar auch erstmalig nach Zugang einer Kündigung auf eine Schwerbehinderung und damit auf den Sonderkündigungsschutz nach § 168 SGB IX berufen, allerdings unterliegt dieses Recht der Verwirkung nach § 242 BGB. Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung hebt das BAG (Urt. v. 22.9.2016 – 2 AZR 700/15, NZA 2017, 304) auf die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KschG ab, binnen derer der Arbeitnehmer entscheiden muss, ob er gegen die Kündigung vorgehen will. Hinzuzurechnen ist die Zeitspanne, innerhalb derer er den Zugang der Mitteilung über den bestehenden Sonderkündigungsschutz beim Arbeitgeber zu bewirken hat. Ein Berufen auf den Sonderkündigungsschutz innerhalb dieses Zeitraums ist nach Auffassung des BAG nicht als illoyal verspätet anzusehen. Dem Arbeitnehmer wird es auch zugestanden, dass er die Mitteilung an den Arbeitgeber – etwa zu Beweiszwecken – eine schriftliche Information wählt. Welche Zeitspanne genau insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, bedurfte im zu entscheidenden Fall keiner abschließenden Stellungnahme. Das Urteil dürfte aber so zu verstehen sein, dass maximal eine Zeitspanne von vier Wochen zur Verfügung steht.
Besonderheiten zur außerordentlichen Kündigung ergeben sich aus § 174 SGB IX:
- Die Zustimmung zur Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrags b...