Das soziale Mietrecht will den Mieter in zwei Bereichen schützen, nämlich hinsichtlich des Bestands des Mietverhältnisses und hinsichtlich der Miethöhe. Dieser Schutz ist hinsichtlich des Bestands wiederum zweistufig vom Gesetzgeber geregelt (ausführlich Sternel, NZM 2018, 473). Zunächst kann der Vermieter das Mietverhältnis nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Bei der Prüfung dieses berechtigten Interesses bleiben Mieterinteressen unberücksichtigt. Liegt ein zur Kündigung berechtigendes Interesse des Vermieters an einer ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses vor, kann der Mieter sich in einer zweiten Stufe auf seine persönlichen Härtegründe oder fehlenden Ersatzwohnraum berufen.
Der Härtegrund des zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffenden Ersatzwohnraums setzt konkrete tatrichterliche Feststellungen voraus, welcher Ersatzwohnraum für den Mieter nach seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen angemessen ist, welche Bemühungen von dem Mieter nach diesen Verhältnissen anzustellen sind und ob er diesen Anstrengungen genügt hat (BGH GE 2020, 256 = WuM 2020, 88 = NZM 2020, 276 = MDR 2020, 402 = DWW 2020, 99 = NJW 2020, 1215 = MietPrax-AK § 574 BGB Nr. 5 mit Anm. Eisenschmid; Abramenko, MietRB 2020, 67; Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 7/2020 Anm. 2).
Beruft sich der Mieter im Räumungsprozess darauf, die Beendigung des Mietverhältnisses stelle für ihn eine unzumutbare Härte dar (§ 574 Abs. 1 S. 1 BGB), und trägt er zu seinen diesbezüglich geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen substanziiert sowie unter Vorlage aussagekräftiger fachärztlicher Atteste vor, verstößt die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand des Mieters sowie zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen seiner – behaupteten – Erkrankungen auf die Lebensführung im Allgemeinen und im Fall des Verlusts der vertrauten Umgebung regelmäßig gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (BGH NZM 2020, 607 = GE 2020, 924 = ZAP EN-Nr. 337/2020 [LS] = MietPrax-AK § 574 BGB Nr. 6 mit Anm. Börstinghaus).
Liegen Härtegründe auf Mieterseite vor, muss eine Abwägung der Interessen stattfinden. Bei der Bewertung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen beider Parteien i.R.d. nach § 574 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ist den Wertentscheidungen Rechnung zu tragen, die in den für sie streitenden Grundrechten zum Ausdruck kommen. Dabei haben die Gerichte zu berücksichtigen, dass bezüglich der Anwendung und Auslegung des Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB einerseits und der Sozialklausel andererseits dieselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe gelten. Auch i.R.d. § 574 Abs. 1 BGB ist daher die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung grds. zu respektieren und der Rechtsfindung zugrunde zu legen. Zugleich haben die Gerichte aber auch die volle Bedeutung und Tragweite des Bestandsinteresses des Mieters zu erfassen und zu berücksichtigen (BGH GE 2020, 256 = WuM 2020, 88 = NZM 2020, 276 = MDR 2020, 402 = DWW 2020, 99 = NJW 2020, 1215 = MietPrax-AK § 574 BGB Nr. 5 mit Anm. Eisenschmid; Abramenko, MietRB 2020, 67; Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 7/2020 Anm. 2).