Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7.7.2021 (BGBl 2021 I, S. 2363) wird insb. das anwaltliche Gesellschaftsrecht grundlegend reformiert (ausführlich Deckenbrock/Markworth ZAP 2022, 103 ff. sowie Deckenbrock DB 2021, 2200 ff.; aus didaktischer Perspektive Henssler/Özman/Sossna JuS 2022, 358 ff.). Das Reformgesetz, das sich in Grundstruktur und zahlreichen Detailfragen an einem Diskussionsvorschlag von Henssler (AnwBl Online 2018, 564 ff.) orientiert, ist am 1.8.2022 in Kraft getreten.
Der Gesetzgeber rückt hierbei vom überholten Leitbild des Einzelanwalts ab und statuiert in § 59b Abs. 2 BRAO n.F. die Organisationsfreiheit anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften. Zu diesem Zweck wird der Kreis der zulässigen Rechtsformen deutlich erweitert: Erlaubt sind fortan Gesellschaften nach deutschem Recht einschließlich der Handelsgesellschaften, Europäischen Gesellschaften sowie Gesellschaften, die zulässig sind nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften können hierdurch erstmalig die Rechtsformen etwa der GmbH & Co. KG und der UG & Co. KG wählen (vgl. dazu bereits die Ausführungen zum MoPeG unter 2.). Auch Auslandsgesellschaften haben mit § 207a BRAO erstmals eine gesetzliche Regelung erfahren (dazu Hauptmann/Hartung AnwBl Online 2022, 376 ff.).
Im Zuge der Gesetzesänderung wurde der Katalog der sozietätsfähigen Berufe erweitert: Rechtsanwälte können sich nach § 59c Abs. 1 BRAO n.F. nunmehr mit Angehörigen aller freien Berufe i.S.d. § 1 Abs. 2 PartGG zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenschließen. Bislang war dies nur mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern möglich. Die berufsfremden Gesellschafter haben hierbei die anwaltlichen Berufspflichten zu beachten (§ 59d BRAO n.F.). Kleinere, im Wesentlichen redaktionelle Änderungen der §§ 59c ff. BRAO sind im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe (BR-Drucks 373/22) vom 27.7.2022 vorgesehen.
Der Begriff der Bürogemeinschaft wird in § 59q Abs. 1 BRAO n.F. legaldefiniert als Gesellschaft, die der gemeinschaftlichen Organisation der Berufstätigkeit der Gesellschafter unter gemeinschaftlicher Nutzung von Betriebsmitteln dient, jedoch nicht selbst als Vertragspartnerin von rechtsanwaltlichen Mandatsverträgen auftritt. Bürogemeinschaften sind zukünftig mit Angehörigen aller Berufe möglich, sofern die Verbindung mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insb. seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege, vereinbar ist und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährden kann; die Zusammenarbeit in der Bürogemeinschaft ist daher grds. auch mit Gewerbetreibenden möglich (Ausnahme bleiben v.a. Versicherungs- und Finanzmakler wegen ihres Provisionsinteresses). Die in der Bürogemeinschaft tätigen Rechtsanwälte werden verpflichtet, angemessene organisatorische, personelle und technische Maßnahmen zu treffen, die die Einhaltung ihrer Berufspflichten gewährleisten.
Eine grundlegende Reform erfahren überdies die anwaltlichen Tätigkeitsverbote in den §§ 43a Abs. 4–6, 45 BRAO n.F. (im Einzelnen Deckenbrock DB 2021, 2270 ff.). Vor diesem Hintergrund hat die Satzungsversammlung der BRAK die Bestimmung des § 3 BORA über widerstreitende Interessen angepasst (hierzu Deckenbrock BRAK-Mitt. 2022, 6 ff.). § 43a Abs. 4 BRAO n.F. greift die Thematik der Sozietätserstreckung auf: Demnach erstreckt sich das Tätigkeitsverbot nach § 43a Abs. 4 S. 2 BRAO n.F. auf Fälle gemeinschaftlicher Berufsausübung und auf die Berufsausübungsgesellschaft (vgl. § 59 BRAO n.F.). Neben Rechtsanwälten mit Gesellschafterstellung werden auch angestellte und in freier Mitarbeit tätige Rechtsanwälte erfasst. Indes können sich die betroffenen Mandanten fortan nach umfassender Information mit der Doppeltätigkeit einverstanden erklären. Erforderlich sind dann Vorkehrungen zur Einhaltung der Verschwiegenheit (sog. Chinese Walls). Der vorbefasste Rechtsanwalt, der die Sozietät wechselt, „infiziert” die ihn aufnehmende Sozietät mit dem Tätigkeitsverbot, sofern das Verbot auf einer eigenen Vorbefassung des Wechslers beruht – die Vorbefassung eines (früheren) Sozietätskollegen schadet der aufnehmenden Sozietät demgegenüber nicht. Eine Erstreckung des Tätigkeitsverbots auf die Bürogemeinschaft findet nicht mehr statt.
Nach § 43a Abs. 5 BRAO gilt das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zwar entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst i.R.d. Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Voraussetzung für ein Tätigkeitsverbot ist, dass der Referendar tatsächlich in die anwaltliche Beratung oder Vertretung eingebunden und nicht lediglich mit wissenschaftlicher Recherche beauftra...