Das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 ist am 1.7.2021 in Kraft getreten und verfolgt das Ziel, das Strafprozessrecht an die geänderten gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen anzupassen. Hierzu schafft der Gesetzgeber in § 163g StPO die „Befugnis zur Automatischen Kennzeichenerfassung zu Fahndungszwecken” im öffentlichen Verkehrsraum. Auf dieser Grundlage können an bestimmten Kontrollpunkten alle vorbeifahrenden Fahrzeuge abgelichtet, deren amtliche Kennzeichen mittels Software erkannt und mit Fahndungsdaten abgeglichen werden. In § 99 StPO wird ein neuer Abs. 2 eingeführt, der den Strafverfolgungsbehörden neben der bestehenden Befugnis zur Postbeschlagnahme die Befugnis zu einem Auskunftsverlangen an die Hand gibt, welches in zeitlicher Hinsicht auch solche Sendungen erfasst, die sich noch nicht oder nicht mehr im Gewahrsam des Postdienstleisters befinden. In § 104 Abs. 3 StPO n.F. wird der Begriff der Nachtzeit im Recht der Wohnungsdurchsuchung vereinheitlicht (hierzu auch Hütwohl NJW 2021, 3298): Die Nachtzeit umfasst demnach den Zeitraum von 21 bis 6 Uhr – die Unterscheidung zwischen Sommer- und Wintermonaten wird aufgegeben. Die in § 114b Abs. 2 StPO geregelte Pflicht zur Belehrung des verhafteten Beschuldigten wird um eine Hinweispflicht auf bestehende anwaltliche Notdienste sowie um eine Belehrung über die mögliche Kostenfolge des § 165 StPO ergänzt. Die Vernehmungsvorschriften der §§ 136, 163a StPO werden dahingehend geändert, dass der Beschuldigte im Fall mehrerer Vernehmungen im Ermittlungsverfahren vor jeder erneuten Vernehmung nach Maßgabe des § 136 Abs. 1 StPO zur belehren ist. In den §§ 136 Abs. 5, 163a Abs. 4 S. 2 StPO wird zudem die Möglichkeit eröffnet, einen Beschuldigten im Wege der Bild- und Tonübertragung (§ 58b StPO) zu vernehmen. Schließlich wird der Begriff des „Verletzten” in § 373b StPO legaldefiniert. Verletzter ist demnach derjenige, der „durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in seinen Rechtsgütern beeinträchtigt worden ist oder unmittelbar einen Schaden erlitten hat”. Die Revisionsbegründungsfrist in § 345 Abs. 1 StPO wird unter bestimmten Voraussetzungen um grds. einen Monat verlängert – hierdurch sollen Revisionsanträge gegen besonders umfangreiche Urteile erleichtert werden.
Das bereits in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gem. § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) vom 21.12.2021 (BGBl 2021 I, S. 5252) erweitert die in § 362 StPO geregelte Möglichkeit zur Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten. § 362 Nr. 5 StPO ermöglicht die Wiederaufnahme in Fällen, in denen „neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes, Völkermordes, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen gegen eine Person verurteilt wird”. Bislang waren neue Tatsachen und Beweismittel als Wiederaufnahmegrund nur zugunsten des Verurteilten zulässig; erforderlich war insofern ein gerichtliches oder außergerichtliches Geständnis der Straftat (§ 362 Nr. 4 StPO). Die Verfassungsmäßigkeit der geänderten Vorschrift ist mit Blick auf den in Art. 103 Abs. 3 GG verankerten „ne bis in idem”-Grundsatz indes hochumstritten (vgl. die im Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 20.4.2022 – 2 Ws 62/22, 2 Ws 86/22, ergangene einstweilige Anordnung des BVerfG durch Beschluss vom 14.7.2022 – 2 BvR 900/22, ZAP EN-Nr. 597/2022 sowie Anwaltsmagazin ZAP 2022, 864 [Anm. der Red.: in dieser Ausgabe; die Entscheidung des BVerfG im Hauptsachverfahren wird noch erwartet]).