Ausgangspunkt des in der Überschrift angesprochenen Themas ist der Umstand, dass der Kläger eines Zivilprozesses die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG mit Einreichen der Klageschrift fällige gerichtliche 3,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 GKG KV gleich zu Beginn des Rechtsstreits an die Justizkasse zahlen muss. Solange diese Zahlung nicht bei der Justizkasse eingegangen ist, wird das Gericht die Zustellung der Klageschrift nicht veranlassen (s. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG). Gewinnt der Kläger den Rechtsstreit zumindest hinsichtlich der Kosten, kann er aufgrund dieser Kostengrundentscheidung gem. § 103 Abs. 1 ZPO die Festsetzung seiner Kosten beantragen. Zu diesen Kosten gehören nach § 91 Abs. 1 ZPO neben den außergerichtlichen Kosten des Klägers auch die von ihm an die Justizkasse gezahlten Gerichtskosten. Auf Antrag des erstattungsberechtigten Klägers sind gem. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO die festgesetzten Kosten vom Eingang des Kostenfestsetzungsantrags mit fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz zu verzinsen. Aufgrund dieser Rechtslage entsteht bei dem Kläger ein „Verzinsungslücke”. Er hat infolge der Zahlung der Gerichtskosten an die Justizkasse zu Beginn des Rechtsstreits einen Vermögensverlust erlitten, den er mit der Verzinsung nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO nur teilweise kompensieren kann. Zwischen der Zahlung der Gerichtskosten an die Justizkasse und dem Erwirken eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels, der überhaupt erst die – verzinsliche – Festsetzung der Kosten des Rechtsstreits ermöglicht, liegen je nach den Umständen des Falls einige Monate, manchmal sogar mehrere Jahre. Erst ab dem Einreichen des Kostenfestsetzungsantrags beginnt die Verzinsung des festgesetzten Betrags. Der Zinsschaden in der Zwischenzeit wird durch die Verzinsungsanordnung im Kostenfestsetzungsbeschluss folglich nicht abgedeckt.
Diese Konstellation hat so manchen Kläger veranlasst, den Beklagten nach Einzahlung der Gerichtskosten an die Justizkasse zur Zahlung der verauslagten Gerichtskosten an den Kläger aufzufordern und bei Nichtzahlung die anhängige Klage um einen Feststellungsantrag zu erweitern, nach dem der Beklagte verpflichtet ist, die gezahlten Gerichtskosten ab Verzug zu verzinsen.
1. Der Streitstand
Ob die später im Rechtsstreit obsiegende Partei von ihr verauslagte Gerichtskosten ohne Darlegung eines konkreten (Verzugs-)Schadens bereits vor dem von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO erfassten Zeitraum (Anbringung des Kostenfestsetzungsantrags) als materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs verzinst verlangen kann, ist in der Rechtsprechung und der Literatur umstritten.
a) Kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch
Teilweise wird ein solcher Anspruch von vornherein abgelehnt (OLG München AGS 2017, 363 = NJW-RR 2017, 437.; OLG Karlsruhe zfs 2013, 45 m. Anm. Hansens = AGS 2013, 200 = RVGreport 2012, 466 [ders.] = NJW 2013, 473, 474 f.; OLG Brandenburg, Urteile v. 6.2.2013 – 7 U 6/12, juris Rn 39; v. 4.7.2012 – 7 U 204/11, juris Rn 27 ff.; OLG Jena, Urt. v. 25.9.2013 – 7 U 180/13, juris Rn 11 ff.; KG, Urt. v. 22.9.2011 – 23 U 178/09, juris Rn 32; Saenger/Uphoff MDR 2014, 192 ff.)
b) Materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch möglich
Nach anderer Auffassung wird ein solcher materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch für grds. möglich gehalten (OLG Frankfurt a.M. NJW 2018, 79; NJW-RR 2012, 791, 794; OLG Düsseldorf, Urteile v. 29.1.2015 – I-15 U 22/14, juris Rn 204 ff.; v. 18.7.2007 – VI-2 U (Kart) 12/05, juris Rn 69 f. und VI-2 U (Kart) 11/05, juris Rn 82 f.; OLG Hamm, Urt. v. 16.12.2011 – 19 U 154/10, juris Rn 90; OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 131, 137; OLG Brandenburg NJW-RR 2013, 23, 25; OLG Bremen, Urt. v. 25.6.2010 – 3 U 60/09, juris Rn 47; OLG Schleswig, Urt. v. 26.3.2013 – 2 U 7/12, juris Rn 195 ff.; OLG Jena NJW-RR 2017, 214 Rn 56; Arz/Gemmer NJW 2019, 263 ff.; Jerger/Zehentbauer NJW 2016, 1353 ff.; Lüttringhaus NJW 2014, 3745 ff.; Gödicke JurBüro 2001, 512 ff.; Staudinger/Feldmann, BGB, Neubearb. 2019, § 288 Rn 7; Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 288 Rn 6).
c) Bisherige Rechtsprechung des BGH
Der BGH hat diese Frage bislang offengelassen (BGH, Urteile v. 20.1.2011 – I ZR 28/09, NJW 2011, 2972 Rn 26; v. 7.4.2011 – I ZR 34/09, NJW 2011, 2787 Rn 37; v. 12.9.2013 – I ZR 208/12, GRUR 2013, 1259 Rn 31; v. 22.7.2014 – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151 Rn 22; v. 9.5.2017 – XI ZR 314/15, WM 2017, 1206 Rn 16).
Vor Kurzem war der VIII. Zivilsenat des BGH in seinem Urt. v. 26.4.2023 – VIII ZR 125/21 mit dieser Problematik befasst.
2. Die aktuelle Entscheidung des BGH
Im vorbezeichneten Fall des BGH hatte der Kläger gegen den Beklagten mit seiner vor dem AG Münster erhobenen Klage verschiedene Zahlungs- und Feststellungsanträge aus dem Mietverhältnis der Parteien geltend gemacht. Unter anderem hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, auf die von dem Kläger verauslagten Gerichtskosten i.H.v. 32 EUR ab dem 2.6.2017, auf weitere 73 EUR ab dem 18.12.2017 und auf weitere 54 EUR ab dem 1.8.2018 an den Kläger Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen. Diesen Antrag hat der Kläger damit begründet, er habe zu den angegebenen Zeiten den je...