Zusammenfassung
In einem aufgrund eines Gläubigerantrags eingeleiteten Insolvenzverfahren ignorieren Schuldner häufig die sie treffende Pflicht, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss umfassend Auskunft über alle das Insolvenzverfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen und den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die Gründe dafür sind mannigfach: sei es, dass die Insolvenz verdrängt wird, die Absicht besteht, Vermögensverschiebungen zu verschleiern oder man befürchtet, als organschaftlicher Vertreter aufgrund der Insolvenz der Gesellschaft in Anspruch genommen zu werden. Der nachfolgende Beitrag befasst sich u.a. auch mit den rechtlichen Fragestellungen, die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts im Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren einhergehen.
I. Einleitung
Eine sachgerechte und effektive Durchführung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass sich das Gericht, der Insolvenzverwalter und die Organe der Gläubiger über die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Schuldners umfassend unterrichten können. Ein wichtiges Hilfsmittel hierzu ist die Auskunftspflicht des Schuldners gem. § 97 Abs. 1 InsO (Begr. RegE zu § 109; Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1999, S. 317). Auch in einem Restrukturierungsverfahren nach Maßgabe des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) sind die Angaben des Schuldners für die Sachverhaltsfeststellung grundlegend (Seibt/Westphal/Deppenkemper, § 39 StaRUG Rn 48). Deshalb verpflichtet § 39 Abs. 2 StaRUG den Schuldner zur Auskunft und Unterstützung gegenüber dem Restrukturierungsgericht.
Ein Verstoß gegen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten kann für den Schuldner gravierende Folgen haben. So drohen nicht nur der Erlass eines Haftbefehls und dessen Vollstreckung sowie die Versagung der Restschuldbefreiung. Das Verheimlichen von Vermögensbestandteilen kann u.U. zu einer Verurteilung wegen Bankrotts führen. Vor diesem Hintergrund ist dem Schuldner dringend anzuraten, die ihn treffenden Pflichten ernst zu nehmen. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts entbindet ihn nicht von der persönlich zu erfüllenden Auskunftspflicht. In einem Restrukturierungsverfahren nach Maßgabe des StaRUG (näher dazu Vallender, ZAP 2023, 487 ff.) besteht zwar kein den §§ 97 ff. InsO entsprechendes Regime; gleichwohl sollten Schuldner die ihnen obliegende Auskunfts- und Unterstützungspflicht gem. § 39 Abs. 2 StaRUG befolgen, weil sie ansonsten Gefahr laufen, dass das Restrukturierungsgericht die Restrukturierungssache aufhebt (§ 33 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StaRUG).
II. Auskunftspflicht in einem Insolvenzverfahren (§ 97 Abs. 1 InsO)
1. Zeitlicher Anwendungsbereich
Die in § 97 Abs. 1 InsO normierte Auskunftspflicht besteht während der gesamten Dauer des eröffneten Insolvenzverfahrens. Über die Verweisungen in § 20 Abs. 1, § 22 Abs. 3 S. 3 InsO gilt sie vollumfänglich bereits in einem aufgrund eines zulässigen Schuldner- oder Gläubigerantrags eingeleiteten Eröffnungsverfahren. Die den Schuldner treffenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gelten auch im Nachtragsverteilungsverfahren (§ 203 InsO); sie können mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden (BGH, Beschl. v. 25.2.2016 – IX ZB 197/07, NJW-RR 2016, 807). Hat der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt (§ 287 Abs. 1 S. 1 InsO), findet § 97 InsO auf die sich an das Insolvenzverfahren anschließende Wohlverhaltensperiode keine Anwendung. Maßgeblich sind vielmehr die in §§ 295 ff. InsO geregelten Obliegenheiten, wie sich aus der – einschränkenden – Spezialregelung in § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO ergibt (HambKommInsR/Morgen, § 97 InsO Rn 2; Uhlenbruck/Zipperer, 15. Aufl. 2019, § 97 InsO Rn 22; a.A. BGH in Strafsachen, Urt. v. 14.3.2016 – 1 StR 337/15, ZInsO 2016, 792; m. abl. Anm. Kemperdick, ZInsO 2016, 1148).
2. Auskunftspflichtige Personen
Der Schuldner hat die Auskunftspflicht persönlich zu erfüllen. Er kann sich insoweit durch einen Rechtsanwalt beraten, nicht aber vertreten lassen (HambKommInsR/Morgen, § 97 InsO Rn 14 m.w.N.). Aus diesem Grunde sind die Auskunftsberechtigten nicht verpflichtet, sich mit dem Anwalt des Schuldners zwecks Auskunftserteilung unmittelbar in Verbindung zu setzen (Nerlich/Römermann/Wittkowski/Kruth, InsO, 27. EL, Stand: August 2014, § 97 Rn 12; Uhlenbruck/Zipperer, § 97 InsO Rn 5). Denn der Anspruch richtet sich gegen den Schuldner und nicht gegen den Rechtsanwalt, der mit der Vertretung des Schuldners oder seiner organschaftlichen Vertreter betraut ist (Uhlenbruck, KTS 1989, 527, 546; Nassall, KTS 1988, 633; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, § 97 InsO Rn 7). Gleichwohl gebietet es der Grundsatz eines fairen Verfahrens, dass das Gericht den Bevollmächtigten, soweit ihm die Vertretung angezeigt worden ist, von der Anberaumung eines Termins zur mündlichen Anhörung des Schuldners informiert. Bedenken gegen eine Anwesenheit des Bevollmächtigten während der Anhörung bestehen nicht. Auch wenn für den Rechtsanwalt im Innenverhältnis eine Pflicht zur Auskunftserteilung bestehen sollte, ändert dies nichts an der unmittelbaren und persönlichen Verpflichtung des Schuldners. Vor diesem Hin...