Die ARGE Anwältinnen hat in diesem Jahr erneut eine Broschüre zur Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und Familie herausgebracht: „Kanzlei und Kind. Klar geht das!” Die Broschüre, die auf dem diesjährigen Anwaltstag in Bielefeld erstmals vorgestellt wurde, präsentiert die Ergebnisse einer erneuten Umfrage unter Anwältinnen – und diesmal auch Anwälten – zu ihren persönlichen Erfahrungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Anwaltsberuf. Daneben enthält sie sechs Kurzporträts, die einen Einblick in die Lebensgestaltung als Anwältin oder Anwalt mit Familie gewähren, Hinweise zu den Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit, zu Versorgungswerken und zum Erwerb der Fachanwaltschaft sowie Tipps und praktische Ratschläge. Damit zeigt sie, wie eine Vereinbarkeit gelingen kann und ist ein wichtiger Leitfaden für junge Kolleginnen und Kollegen vor und während der Familienphase.
Doch auch Kanzleien sowie Akteure des Berufsstandes können von der Broschüre, die über die Homepage der ARGE (www.davanwaeltinnen.de) kostenfrei herunterzuladen ist, profitieren. Erlaubt sie doch einen Einblick in den derzeitigen Stand der Zufriedenheit von Müttern – und auch Vätern – mit dem Anwaltsberuf. Diese ist bei der Mehrheit gegeben, allerdings erklärten sich 26 % der Befragten mit ihrer beruflichen Situation nach der Geburt unzufrieden. Die Entscheidung zum Kind wurde dabei in keinem einzigen Fall angezweifelt. Vielmehr wurde ein starres, unkooperatives und Druck aufbauendes Umfeld für die Unzufriedenheit verantwortlich gemacht. Bei angestellten Anwältinnen führte die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen nach dem Wiedereinstieg in bestem Falle dazu, dass diese in die Selbstständigkeit abbogen. Bietet sie doch die Möglichkeit größtmöglicher Flexibilität und Selbstbestimmung – auch wenn diese zunächst auf Kosten der finanziellen Sicherheit sowie verlässlicher Rahmenbedingungen gehen können; etwas, was für Anwältinnen sonst mehr als bei ihren männlichen Kollegen im Vordergrund steht und sich an ihrem deutlich größeren Interesse an einer Festanstellung ablesen lässt.
Im schlimmsten Fall gehen die Anwältinnen jedoch der Anwaltschaft verloren. In Zeiten schrumpfender Anwaltschaft – nun schon im dritten Jahr in Folge, wie die aktuelle BRAK-Statistik für die Zahl der niedergelassenen Anwältinnen und Anwälte aufzeigt – ein großes Problem. Nicht nur für die Kanzleien, die bereits jetzt über Personalmangel klagen, sondern auch für die klassische anwaltliche Versorgung und den breiten Zugang zum Recht.
Bedenkt man, dass in den nächsten Jahren die geburten- und zulassungsstarken Jahrgänge in Rente gehen werden, die Absolventenzahlen der volljuristischen Ausbildung jedoch bereits seit längerem stark rückläufig sind und die Eintrittshürden in den Staatsdienst durch eine niedrigere Notenschwelle gesenkt wurden, so dass mehr Absolventen dorthin gehen können, wird es immer schwieriger werden, den Bedarf an anwaltlichem Nachwuchs und damit anwaltlicher Versorgung zu decken.
Das Anwaltsblatt hat sein letztes Heft (3/24) daher fast gänzlich dem Thema anwaltlicher Nachwuchsgewinnung gewidmet. Dabei wurde eines klar: Um der schrumpfenden Anwaltschaft entgegenwirken zu können, ist es essenziell, mehr Frauen für den Anwaltsberuf zu gewinnen – und sie darin zu halten. Denn der Anteil der weiblichen Studienanfänger im Fach Rechtswissenschaft beläuft sich mittlerweile auf bis zu 70 %.
Bereits jetzt ist ein Wandel in der Anwaltschaft zu sehen. Sie wird zunehmend weiblicher. Zwischen 1950 und 2005 hat sie sich mehr als verzehnfacht und liegt laut BRAK aktuell bei 37,09 %. In der Anwaltschaft wurden bereits 2017 mit 52 % erstmals mehrheitlich Frauen als Anwältinnen neu zugelassen. Davon gaben allerdings viele ihre Zulassung noch vor Erreichen der Altersgrenze von 40 Jahren zurück, wie Prof. Dr. Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts für Anwaltsrecht der Universität Köln, konstatiert. Untersuchungen dazu, warum oder wohin diese Anwältinnen abwandern, gibt es leider nicht. Seine Vermutung geht aufgrund der Feststellung, dass mit 60 % mehr Frauen als Männer die Zulassung in dieser Phase zurückgeben, in Richtung öffentlicher Dienst. Als weiteren Grund sieht er eine Wanderung aus der niedergelassenen Rechtsanwaltschaft in die Syndikusanwaltschaft. Kein Wunder, bieten sowohl der öffentliche Dienst als auch die Anstellung in einem Unternehmen bessere Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit.
Möchte man diese Frauen in der Anwaltschaft halten und auch den (nicht nur weiblichen) Nachwuchs für die Anwaltschaft begeistern, muss auch hier der Rahmen in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie verändert werden.
Wie das gelingen kann, zeigt die Broschüre der ARGE Anwältinnen und stellt dafür sechs Forderungen auf. Diese zielen auf flexiblere Arbeitszeit- und Karrieremodelle, eine gerechtere Vergütung, ein Überdenken von Rollenbildern, die Harmonisierung von berufsständischen Regelwerken, bessere Rahmenbedingungen für Selbstständige sowie eine verlässliche, gu...