Das OLG Hamm hatte sich im Beschluss (v. 12.3.2015 – 1 RVs 15/15, StRR 2015, 311) mit einem sicherlich nicht alltäglichen, aber doch immer wieder auftretenden Fall zu befassen. Nach dem Sachverhalt hatte der am 21.1.2013 verstorbene T seiner Haushälterin gegen Ende September 2012 eine Kreditkarte "zur freien Nutzung, also für eigene Zwecke überlassen" oder "geschenkt". Das Verfügungslimit dieser Karte lag bei monatlich 5.000 EUR. In der Folgezeit tätigte die Angeklagte zahlreiche Umsätze mit der Kreditkarte, die vom Kontokorrentkonto des T abgebucht wurden. Auch nach dessen Tod hat die Angeklagte noch in der Zeit vom 25.1.2013 bis zum 1.2.2013 insg. 22 mal die Karte eingesetzt und damit einen Umsatz i.H.v. 4.686,07 EUR getätigt. Das AG hatte die Angeklagte wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) verurteilt. Das LG hat die Berufung verworfen. Die Haushälterin habe gewusst, dass das Vermögen nach dem Tod des T allein den Erben zugestanden habe, zu denen sie – wie sie gewusst habe – nicht gehörte. Dadurch habe die Angeklagte ihre Treuepflicht, die aus der Überlassung der Kreditkarte resultierte, zum Nachteil der Erben des T missbraucht, obwohl ihre Berechtigung im Innenverhältnis nach § 168 BGB mit dessen Tod geendet habe.
Die Revision der Angeklagten hatte beim OLG Hamm (a.a.O.) Erfolg. Das OLG verneint eine Vermögensbetreuungspflicht sowohl gegenüber dem Verstorbenen als auch gegenüber dessen Erben. Eine Untreue i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB liege damit nicht vor. Eine Vermögensbetreuungspflicht treffe den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen im Sinne eines Gewinnens, Erhaltens und Vermehrens wirtschaftlicher Werte von einiger Bedeutung zu betreuen hat. Diese Pflicht müsse eine besondere Pflicht sein, die über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgeht. Hierbei sei in erster Linie von Bedeutung, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit verbleibt. Eine besondere Vermögensbetreuungspflicht hat die Angeklagte hier nach Auffassung des OLG aber nicht getroffen, denn die Kreditkarte sei ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Ein Spielraum sei ihr schon deshalb nicht geblieben, weil der Verfügungsrahmen der Kreditkarte auf monatlich 5.000 EUR begrenzt war und eine Verwendung über diesen Betrag hinaus somit gar nicht möglich gewesen sei. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen sei folglich gerade nicht die Fürsorge für dessen Vermögensinteressen gewesen, sondern eben dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 EUR je Monat. Da, wie das LG ausgeführt habe, der "rüstige" Verstorbene keinen Anlass hatte, sich über die Frage seines Ablebens und dessen Folgen für die Nutzung der Kreditkarte Gedanken zu machen und diese bei Übergabe der Karte an die Angeklagte zu erörtern, kann auch nicht angenommen werden, er habe der Angeklagten für den Fall seines Ablebens eine Vermögensbetreuungspflicht zugunsten seiner Erben im Falle seines Versterbens auferlegen wollen.
Hinweise:
Die Entscheidung ist abzugrenzen von OLG Hamm (NStZ-RR 2004, 111). Dort hatte der Geschädigte seiner mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebensgefährtin Kontovollmacht erteilt, damit sie Geldbeträge zur angemessenen Lebensführung von seinem Konto abheben konnte. Diesen Rahmen hatte sie jedoch überschritten. Dieser Spielraum stand dagegen der Angeklagten hier nicht zu, da sie über den Betrag des Kreditkartenlimits hinaus keine Verfügungen zu Lasten des Verstorbenen treffen konnte.
Es scheidet i.Ü. auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263 StGB) oder Unterschlagung (§ 246 StGB) aus. Die Händler, bei denen die Angeklagte unter Vorlage der Kreditkarte eingekauft hat, sind nicht getäuscht worden. Die Kreditkarte selbst hat die Angeklagte auch nicht unterschlagen. So auch das OLG Hamm (a.a.O.).