I. Ungleichartige Wahlfeststellung
Kurz hinzuweisen ist auf den Anfragebeschluss des 2. Strafsenats des BGH vom 28.1.2014 (2 StR 495/12, NStZ 2014, 392 = StRR 2014, 310), in dem der 2. Strafsenat von der Verfassungswidrigkeit der ungleichartigen Wahlfeststellung ausgeht. Das LG hatte den Angeklagten wahlweise wegen Diebstahls oder Hehlerei verurteilt, was der bislang h.M. entsprach. Die der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Annahme, dass eine wahlweise Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei zulässig sei, verstößt nach Ansicht des 2. Strafsenats aber gegen Art. 103 Abs. 2 GG und sei mithin unzulässig. Zum einen werde gegen das Analogieverbot und zudem gegen den Grundsatz nulla poena sine lege verstoßen. Deshalb will der 2. Strafsenat die h.M. in der Rechtsprechung aufgeben und hat bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie der beabsichtigten Entscheidung zustimmen und entgegenstehende Rechtsprechung aufgeben. Die "Anfrage" ist in der Literatur kontrovers diskutiert worden (vgl. dazu u.a. von Heintschel-Heinegg JA 2014, 710; Kröpil JR 2015, 116; El-Ghazi JR 2015, 343; Jahn JuS 2014, 753; Schuhr NStZ 2014, 437; Frister StV 2014, 584; Bauer wistra 2014, 475; Stuckenberg ZIS 2014, 461; Wagner ZJS 2014, 436). Geantwortet haben dem 2. Strafsenat inzwischen der 1. (NStZ-RR 2014, 308) und der 5. Strafsenat (NStZ-RR 2014, 307) des BGH. Beide halten an der h.M. in Rechtsprechung und Literatur fest. Damit ist der Weg zum Großen Senat für Strafsachen des BGH vorgezeichnet, wenn nicht der 2. Strafsenat, was kaum zu erwarten sein dürfte, "einknickt".
Hinweis:
Vgl. zum Thema die Kolumne von Eschelbach "Freispruch oder eindeutige Verurteilung aufgrund von Auffangtatbeständen anstelle gesetzesalternativer Verurteilung?" in: ZAP 19/2014, S. 1041.
II. Kurzfristige Freiheitsstrafe (§ 47 StGB)
Im Berichtszeitraum haben sich erneut einige OLG mit der Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) bei einer Verurteilung wegen eines sog. Bagatelldelikts befasst. Hingewiesen soll in dem Zusammenhang auf das OLG Hamm (Beschl. v. 10.2.2015 – 5 RVs 76/14, StRR 2015, 191) und das OLG Bamberg (Urt. v. 11.2.2015 – 8 Ss 4/14, StRR 2015, 191; eingehend zu der Problematik Hillenbrand StRR 2015, 168 ff.).
1. Bagatelldelikt
In dem der Entscheidung des OLG Hamm (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall wurde der erheblich und einschlägig vorbelastete Angeklagte erst- und zweitinstanzlich wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB) in vier Fällen (Schäden 6,50 EUR bis 10,50 EUR) bei Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, die Einzelstrafen betrugen jeweils drei Monate.
Das OLG hat das nicht beanstandet. Weder das Übermaßverbot noch das Gebot schuldangemessenen Strafens schließe die Verhängung von Freiheitsstrafen, auch über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehend, bei Bagatelldelikten bzw. Straftaten mit nur geringem Schaden aus. Aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens ergebe sich auch nicht, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht komme. Ob bei Bagatelldelikten bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die Verhängung einer die gesetzliche Mindeststrafe übersteigenden Freiheitsstrafe schuldangemessen ist, entscheide sich vielmehr nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls. Bei deren Beurteilung dürfe nicht einseitig auf die Schadenshöhe abgestellt werden, vielmehr seien für die Verhängung einer Freiheitsstrafe insbesondere vielfache, einschlägige Vorstrafen sowie der Umstand, dass ein Angeklagter sich durch die Verhängung von Geldstrafen nicht nachhaltig beeinflussen lässt, bedeutsam. Zu Recht habe daher die Strafkammer darauf abgestellt, dass der Angeklagte wiederholt einschlägig in Erscheinung getreten ist und sich durch die bislang verhängten, teils hohen Geldstrafen in keiner Weise hat beeindrucken lassen. Zudem war es sogar zwischen den vorliegend abgeurteilten Einzeltaten zu weiteren Verurteilungen gekommen. Dieser Umstand sowie eine hohe Rückfallgeschwindigkeit sprächen für eine verfestigte rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten, der das LG zutreffend mehr Gewicht beigemessen habe als den Schadensbeträgen.
Hinweis:
Insbesondere, wenn der Angeklagte mehrfach und einschlägig vorbestraft ist, kommt also auch bei Bagatelldelikten eine das gesetzliche Mindestmaß übersteigende Freiheitsstrafe in Betracht (vgl. auch Hillenbrand StRR 2015, 168). Dem wird man letztlich zustimmen müssen, da es sonst dem Gebot angemessenen Strafens zuwider liefe, wenn sich selbst notorische Straftäter trotz immer neuer einschlägiger Delikte stets darauf verlassen könnten, dass es im Falle der Tataufdeckung bei der Mindeststrafe bleibe (vgl. auch noch OLG Hamm, Urt. v. 21.10.2014 – 1 RVs 82/14, NStZ-RR 2015, 205 = StRR 2015, 111).
2. Übermaßverbot
Im Verfahren des OLG Bamberg (a.a.O.) war der ebenfalls mehrfach und einschlägig vorbestrafte Angeklagte vom AG wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden, wobei Strafaussetzung zur Bewährung nicht er...