Zusammenfassung
Leitsätze des Bearbeiters:
- Ein Rechtsanwalt hat keinen Anspruch auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts des Inhalts, dass die Bescheinigung eines Seminaranbieters über die Teilnahme an einem (Fortbildungs-)Seminar als Fortbildungsnachweis i.S.d. § 15 FAO für das Fachgebiet anerkannt wird, für das der Rechtsanwalt den Fachanwaltstitel führt.
- Fachanwälte können ihre jährliche, sich aus § 15 FAO ergebende Fortbildungspflicht auch durch die Teilnahme an einem Seminar erfüllen, das nicht speziell ihr Fachgebiet betrifft. Erforderlich ist jedoch, dass in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.
BGH, Urt. v. 18.7.2016 – AnwZ (BrfG) 46/13, ZAP EN-Nr. 680/2016
Bearbeiter: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
I Sachverhalt
Der Kläger ist seit 2011 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Am 22.6.2012 besuchte er ein sechsstündiges Seminar „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“, das sich neben Straf-, Familien-, Versicherungs- und Baurecht schwerpunktmäßig auch mit dem Verkehrsrecht beschäftigte. Im Anschluss reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der beklagten Rechtsanwaltskammer München (RAK) ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die Beklagte antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“. Im sich darüber entwickelnden Streit hat der Kläger Klage gegen die RAK erhoben. Mit seinem Klagehauptantrag wollte er erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“ aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Der Kläger hat gemeint, Anspruch auf Anerkennung in Form eines Verwaltungsakts zu haben, wobei sich die erforderliche Ermächtigungsgrundlage aus § 43c Abs. 4 S. 2 BRAO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 FAO ergebe. Hilfsweise hat er beantragt, die Anerkennungsfähigkeit festzustellen. Der Bayerische AGH hat sich der RAK angeschlossen und das Seminar als nicht tauglich für den Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung angesehen. Der BGH hat den Hauptantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit seinem Hilfsantrag hatte er Erfolg.
II Entscheidung
Hauptantrag auf Anerkennung als Fortbildungsnachweis
Einen Anspruch des Klägers auf Erlass eines selbstständigen Verwaltungsakts, mit dem die RAK abschließend über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllung der Fortbildungspflicht entscheidet, hat der BGH wegen fehlender Rechtsgrundlage abgelehnt. Weder § 43c Abs. 4 S. 2 BRAO noch § 15 S. 1, 3 FAO in der hier anwendbaren Fassung vom 1.7.2009 ermächtige die zuständige RAK, im Wege des Verwaltungsakts abschließend über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. Es gebe kein auf die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bezogenes und dem Widerrufsverfahren vorgeschaltetes Feststellungsverfahren. Erst recht sei in der FAO kein Verfahren vorgesehen, welches eine verbindliche Entscheidung über die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bereits innerhalb des laufenden Kalenderjahres und damit so rechtzeitig ermögliche, dass etwa nicht anerkannte Fortbildungen noch rechtzeitig nachgeholt werden können. Da die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht nicht zwingend zu einem Widerruf führe und eine überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Jahr bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ein Absehen vom Widerruf der Erlaubnis zur Folge haben könne (vgl. BGH AnwBl 2014, 755), sei eine derartige Regelung auch nicht zwingend zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Fachanwalts am Fortbestand der Erlaubnis erforderlich.
Hilfsantrag auf Anerkennungsfähigkeit als Fortbildungsveranstaltung
Dem Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass es sich bei dem Seminar „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“ um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 FAO für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt, hat der BGH hingegen stattgegeben. Der BGH bejaht das Feststellungsinteresse, da sonst für den Kläger die Gefahr bestehe, trotz überobligationsmäßiger Fortbildung in den Folgejahren, welche die RAK immer so angerechnet hatte, dass seine Pflichtstunden als absolviert galten, als „Wiederholungsfall“ eingestuft zu werden.
Das Seminar genügte nach Auffassung des BGH auch den Anforderungen, die an eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung auf dem Fachgebiet „Verkehrsrecht“ zu stellen sind. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 FAO müsse sich ein Rechtsanwalt jährlich fortbilden, um eine erworbene Fachanwaltsbezeichnung weiterführen zu können. Nehme er dazu an einem Seminar teil, müsse diese sog. Pflichtfortbildung dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung bereits vorhandener besonderer Kenntnisse in dem jeweiligen Fachgebiet des Rechtsanwalts dienen. Es reiche nicht, bloß Grundlagenkenntnisse noch einmal zu erwerben, die bei jedem Rechtsanwal...