Wenn von einem Mitverschulden des Mandanten auszugehen ist, empfiehlt es sich, die Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen und Schadensersatzansprüche bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend zu machen. In der Regel kann dadurch trotz einer Mithaftungsquote eine nahezu vollständige Schadensregulierung durchgeführt werden.
Nimmt der Geschädigte seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, gehen zwar insoweit seine Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger gem. § 86 VVG auf seine Vollkaskoversicherung über. Dieser Forderungsübergang darf sich jedoch gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirken. Der Geschädigte kann daher seinen Fahrzeugschaden auch weiterhin gegenüber dem Schädiger geltend machen. Obergrenze ist jedoch der tatsächliche – kongruente – Fahrzeugschaden.
a) Kongruenter Fahrzeugschaden
Zum kongruenten Fahrzeugschaden gehören die Reparaturkosten, der Wiederbeschaffungswert, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und der merkantile Minderwert (BGH VersR 1982, 383 = NJW 1982, 829; VersR 1985, 441).
Der Geschädigte kann daher bis zur Grenze der Mithaftungsquote des Unfallgegners die Selbstbeteiligung, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und den merkantilen Minderwert geltend machen.
Hinweis:
Da der Kaskoversicherer den merkantilen Minderwert und die Sachverständigenkosten nicht zu ersetzen hat, tritt insoweit auch kein Forderungsübergang ein, so dass diese Schadenspositionen beim Geschädigten verbleiben. Er kann diese daher noch neben der Selbstbeteiligung ungekürzt bis zur Grenze der Mithaftungsquote gegen den Schädiger geltend machen.
b) Forderungsübergang
Vom Rechtsübergang nicht betroffen ist der Sachfolgeschaden (Mietwagenkosten, Nutzungsentschädigung, Kostenpauschale, Fahrtauslagen, Verdienstausfall, Prämiennachteile). Diese Positionen sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer unabhängig von der Leistung des Kaskoversicherers mit der entsprechenden Haftungsquote zu regulieren; hierzu gehören auch Verschrottungskosten (OLG Hamm SP 2000, 162).
Beispiel:
Reparaturkosten |
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6.000 EUR |
merkantiler Minderwert |
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500 EUR |
Nutzungsentschädigung |
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400 EUR |
Sachverständigenkosten |
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300 EUR |
Abschleppkosten |
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200 EUR |
Rückstufungsschaden |
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250 EUR |
Kostenpauschale |
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30 EUR |
insgesamt: |
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7.680 EUR |
Hierauf leistet die Vollkaskoversicherung 5.000 EUR (Fahrzeugschaden 6.000 EUR abzgl. Selbstbeteiligung i.H.v. 1.000 EUR).
c) Mithaftungsquote
Bei einer Mithaftungsquote von 50 % wäre es falsch, lediglich 50 % der vorgenannten Positionen gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend zu machen, richtig ist vielmehr die Abrechnung nach Quotenvorrecht/Differenztheorie. Der kongruente Fahrzeugschaden errechnet sich wie folgt:
Reparaturkosten |
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6.000 EUR |
merkantiler Minderwert |
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500 EUR |
Sachverständigenkosten |
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300 EUR |
Abschleppkosten |
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200 EUR |
insgesamt: |
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7.000 EUR |
Hiervon zahlt der Fahrzeugversicherer 5.000 EUR, so dass ein nicht gedeckter Schaden i.H.v. 2.000 EUR verbleibt.
In dieser Höhe kann der Geschädigte seinen verbleibenden, von der Kaskoversicherung nicht gedeckten – kongruenten – Schaden beim gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend machen und zwar bis zur Höhe des Betrags, den der Haftpflichtversicherer zu leisten hätte, wenn keine Vollkaskoversicherung bestünde. Bei einer Mithaftungsquote von 50 % also bis zu einem Betrag von 3.500 EUR.
Den Sachfolgeschaden hat der Haftpflichtversicherer entsprechend der Mithaftungsquote (beispielsweise 50 %) zu regulieren:
Nutzungsentschädigung |
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400 EUR |
Rückstufungsschaden |
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250 EUR |
Kostenpauschale |
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30 EUR |
insgesamt: |
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680 EUR |
Bei einer Mithaftungsquote von 50 % ist der Sachfolgenschaden i.H.v. 340 EUR zu regulieren. Bei einer Haftungsquote von nur 20 % würde der gegnerische Haftpflichtversicherer für den kongruenten Schaden nur bis zum Höchstbetrag i.H.v. 1.400 EUR haften.
Literaturhinweis:
Ausführlich zur quotalen Leistungskürzung in der Praxis der Kraftfahrtversicherung s. Nugel ZAP F. 9, S. 901.