Auch wenn ein Rechtsanwalt lediglich damit beauftragt wird, Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung geltend zu machen, gehört es zu seinen vertraglichen Nebenpflichten, den Mandanten auf seine Obliegenheiten gegenüber dem eigenen Haftpflichtversicherer hinzuweisen.
1. Anzeigepflicht
Gemäß E.1.1.1 Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2015, Stand: 12.10.2017) ist jedes Schadensereignis, das zu einer Leistung des Versicherers führen kann, dem Versicherer vom Versicherungsnehmer innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen.
Damit ist das Schadensereignis selbst als Versicherungsfall anzusehen, der Eintritt des Schadens oder die Entstehung von Haftpflichtansprüchen ist nur Bedingung der Leistungspflicht des Versicherers.
E.1.1.1 AKB 2015 ist eine Konkretisierung der Anzeigepflicht gem. § 30 VVG. Hat daher der Versicherer anderweitig – beispielsweise durch den Geschädigten – Kenntnis vom Versicherungsfall erhalten, ist i.d.R. der Verstoß gegen die Anzeigepflicht wirkungslos (§ 30 Abs. 2 VVG).
2. Aufklärungsobliegenheit
Wenn dann der Versicherer den Versicherungsnehmer auffordert, sich zum Schadenshergang zu äußern und ein Schadensformular auszufüllen, ist der Versicherungsnehmer gehalten, dieser Aufforderung unverzüglich nachzukommen. Die Schadensanzeige muss so vollständig wie möglich sein, um dem Versicherer die Bearbeitung und sachgemäße Entscheidung über die Abwicklung des Versicherungsfalls zu ermöglichen.
Verletzt ein Versicherungsnehmer seine Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich, besteht im Innenverhältnis Leistungsfreiheit nach Maßgabe von E.2 AKB 2015: Die Leistungsfreiheit ist auf einen Betrag von 2.500 EUR beschränkt, bei einer besonders schwerwiegenden Obliegenheitsverletzung auf einen Betrag von 5.000 EUR.
Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit wirkt sich nur aus, wenn sie weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war (E.2.2 AKB 2015). Dieses Kausalitätserfordernis entfällt nur bei Arglist (E.2.2 AKB 2015).
Bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen (E.2.1 AKB 2015).
In der Haftpflichtversicherung ist bei grober Fahrlässigkeit zunächst der Regressanspruch quotal zu kürzen, nicht etwa die Obergrenze von 2.500 EUR (LG Saarbrücken, 13 S 49/11, r+s 2013, 275; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl. 2018, § 28 Rn 186 m.w.N.).
Beispiel:
Regressforderung 8.000 EUR, Kürzung wegen grober Fahrlässigkeit 4.000 EUR. Die Regressforderung beschränkt sich auf 2.500 EUR, bei einer besonders schwerwiegenden Obliegenheitsverletzung verbleibt es bei den 4.000 EUR, die unterhalb der Obergrenze von 5.000 EUR liegen.
Praxishinweis:
Wenn der mit der Schadensregulierung beauftragte Rechtsanwalt die "lästige" Obliegenheit der Schadensanzeige seinem Mandanten abnimmt, wird er hierdurch bei dem Haftpflichtversicherer "aktenkundig" und oft auch als Prozessanwalt beauftragt, falls es zu einem Rechtsstreit kommt. In der Regel genügt es, dem Haftpflichtversicherer das Anspruchsschreiben in Kopie zu übersenden.
3. Regulierungsvollmacht
Im Rahmen der Regulierungsbefugnis gilt der Versicherer als bevollmächtigt, alle ihm zur Befriedigung oder Abwehr der Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben (1.1.4 AKB 2015).
Die Regulierungsbefugnis des Versicherers ist sehr weitgehend, da ihm ein großer Ermessensspielraum eingeräumt wird (LG Frankenthal, zfs 1991, 347). Nur bei unsachgemäßer Regulierung offensichtlich unbegründeter Ansprüche muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer Prämiennachteile ersetzen (OLG Köln r+s 1992, 261 = zfs 1992, 342; LG Kleve r+s 1992, 328; AG Münster zfs 1992, 376).
Ein vom Versicherungsnehmer gegenüber seiner Haftpflichtversicherung ausgesprochenes "Regulierungsverbot" ist in den meisten Fällen wirkungslos, für den Haftpflichtversicherer jedenfalls nicht verbindlich. Soll gleichwohl eine Schadensregulierung verhindert werden, kann dem Haftpflichtversicherer allenfalls angeboten werden, das Prozessrisiko eines Rechtsstreits zu übernehmen.
Hinweis:
Die Kosten dieses Rechtsstreits trägt keine Rechtsschutzversicherung, da diese nur für die Geltendmachung, nicht jedoch für die Abwehr von Haftpflichtansprüchen eintrittspflichtig ist.
4. Prozessführungsbefugnis
Wenn gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche gerichtlich geltend gemacht werden, hat er die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen (E.1.2.4 AKB 2015). Diese Prozessführungsbefugnis beinhaltet auch und vor allem das Recht des Versicherers, den Prozessanwalt für den Versicherungsnehmer und die übrigen Versicherten zu bestellen.
Da der Haftpflichtversicherer – anders als der Rechtsschutzversicherer – nicht nur das Kostenrisiko, sondern auch das Sachrisiko trägt, liegt in dieser Prozessführungsbefugnis kein Verstoß geg...