Außerhalb der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB kommt Ansprüchen Unterhaltsberechtigter kein allgemeiner Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten (Ratenbelastungen für Schulden) des Unterhaltspflichtigen zu. Andererseits dürfen diese Verbindlichkeiten auch nicht ohne Rücksicht auf die Unterhaltsinteressen getilgt werden. Vielmehr bedarf es eines Ausgleichs der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger. Ob eine Verbindlichkeit im Einzelfall zu berücksichtigen ist, kann danach nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen entschieden werden. Insoweit sind insbesondere der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung, die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen (BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 613/16, FamRZ 2019, 1415; BGH, Beschl. v. 9.11.2016 – XII ZB 227/15, FamRZ 2017, 109; BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – XII ZB 297/12, FamRZ 2013, 1558 Rn 19 m.w.N.).
Praxistipp:
Die in der Praxis oft höchst umstrittene Frage, wofür das Geld aus dem Kredit aufgenommen worden ist, ist für die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der Ratenbelastungen irrelevant.
Bei der Berücksichtigung der Schulden im Rahmen des Ehegattenunterhalts ist nach Zeitabschnitten zu unterscheiden (s. hierzu Viefhues, "Von der Trennung bis zur Scheidung", 1. Aufl. 2018, Deutscher Anwaltverlag).
a) Schulden aus der Zeit des Zusammenlebens
Während der Ehe haben die Ehepartner bestimmte finanzielle Dispositionen getroffen, von denen sich allein durch die Trennung und Scheidung keiner der beiden – ehemaligen – Partner einseitig lösen kann. Hat man also während der Ehe z.B. über die finanziellen Verhältnisse gelebt und seinen Lebensstandard teilweise über Kredite finanziert, so können diese Belastungen nun nach der Trennung nicht einem Ehegatten allein angelastet werden.
Daher sind Ratenverpflichtungen, die während der Ehe aufgenommen worden sind, grds. in voller Höhe – also mit Zins- und Tilgungsanteil – bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts abzuziehen. Diese regelmäßigen Belastungen beeinflussen bereits den Bedarf beider Ehegatten, denn sie haben schon die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Dabei ist unerheblich, welcher Ehegatte die Kreditverbindlichkeiten eingegangen und wofür das Geld ausgegeben worden ist. Irrelevant ist auch, wer die mit dem Darlehen angeschafften Vermögensgegenstände (z.B. Möbel, Auto) nach der Trennung erhalten hat (BGH FamRZ 1996, 162). Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Schulden ist der Ehegatte darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf die Ratenbelastungen beruft (BGH FamRZ 1990, 283, 287).
Praxistipp:
Bei Darlehen, die nach dem Vortrag eines Ehegatten von einem Verwandten aufgenommen worden sind, hegen die Gerichte allerdings meist eine große Zurückhaltung, diese im Unterhalt zu berücksichtigen. Teilweise wird bereits bezweifelt, ob das Darlehen überhaupt geflossen ist, teilweise wird die Abzugsfähigkeit generell verneint, teilweise wird die Möglichkeit unterstellt, die monatlichen Raten hier einseitig zugunsten der Unterhaltslasten deutlich reduzieren zu können. Je vager die Angaben zum Darlehenszweck, zum Zeitpunkt und zur Auszahlung sind, desto geringer ist die Chance, dass ein Gericht selbst nach einer Zeugenvernehmung derartigen Behauptungen Glauben schenkt. Dies gilt speziell dann, wenn die Verwendung des Geldes nicht nachvollziehbar ist. Besondere Zweifel erweckt der Sachvortrag, wenn ein größeres Darlehen unter Verwandten in bar gegeben worden sein soll.
b) Nach der Trennung aufgenommene Schulden
Kreditbelastungen, die erst nach der Trennung aufgenommen worden sind, können dagegen in aller Regel nur sehr eingeschränkt in Abzug gebracht werden, da der Unterhaltspflichtige über seine finanzielle Situation Bescheid weiß und seine Unterhaltsverpflichtungen kennt.
Praxistipp:
Bei Schuldverbindlichkeiten, die nach der Trennung aufgenommen werden, um Hausratsgegenstände anzuschaffen, besteht Spielraum für eine geschickte anwaltliche Argumentation. Die Gerichtspraxis ist hier uneinheitlich. Einige Gerichte lehnen die Abzugsfähigkeit generell ab und verweisen auf die Möglichkeit, eine Zuteilung im Verfahren über die Verteilung der Haushaltsgegenstände zu erreichen. Andere Gerichte erkennen nachträgliche Schuldbelastungen hier an, wenn die Kreditaufnahme wirklich unvermeidlich war und dringend notwendige Gegenstände angeschafft worden sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige notwendige Aufwendungen für seine neue Wohnung tätigt. So können Kosten für die Kaution, die Renovierung der neuen Wohnung ebenso anfallen wie für die Anschaffung von Gegenständen, die nicht über das Verteilungsverfahren beschafft werden können (Gardinen, Teppichböden usw.). Dabei kommt es auch auf die angemessene Höhe der Anschaffungen an. Angesichts der Unterhaltsverpflichtung kann nur der mindestens notwendige Aufwand berücksich...