Denn die Zweigstelle (mitunter auch als "Zweigniederlassung" oder "Nebenniederlassung" bezeichnet) und die notwendigerweise vorhandene, aber vom Gesetz so nicht benannte Hauptstelle (bzw. Hauptniederlassung) werden jeweils als Niederlassungen der "Kanzlei im weiteren Sinne" angesehen, die sich danach unterscheiden, in welcher der Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit ihrem Schwerpunkt nach entfaltet (BGH NJW 2010, 3787; BGH GRUR 2012, 1275 – Zweigstellenbriefbogen, Rn 56).
Die Zweigstelle ist ein weiterer Standort, der abhängig von der Hauptkanzlei geführt wird. Den für die Kanzlei nach §§ 27 BRAO, 5 BORA geltenden Anforderungen muss auch die Zweigstelle (§ 27 Abs. 2 BRAO) grundsätzlich genügen.
An die Zweigstelle werden genau die gleichen Anforderungen wie an eine Hauptniederlassung gestellt, mit dem Unterschied, dass der Rechtsanwalt dort nicht überwiegend während der üblichen Bürozeiten anzutreffen sein muss. Hauptniederlassungen als auch Zweigniederlassungen sind von der physischen Präsenz eines Berufsträgers abhängig, wobei die Zweigniederlassung aber der Ort ist, an den sich der Berufsträger nicht überwiegend aufhält.
Genauso wenig wie an seiner Hauptniederlassung trifft ihn eine Pflicht, an seiner Zweigniederlassung weitere Mitarbeiter, etwa Rechtsanwaltsfachangestellte, zu beschäftigen. Eine Pflicht eines Rechtsanwalts, Mitarbeiter zu beschäftigen, sieht das Gesetz nicht vor.
An der Zweigniederlassung muss aber eine gewisse Büroorganisation bereitgehalten werden, die auf eine Regelmäßigkeit der anwaltlichen Tätigkeit an dieser Adresse schließen lässt, wenngleich es keiner personellen Ausstattung durch Mitarbeiter an der Zweigstelle bedarf. Nach § 5 BORA ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen in Kanzlei und Zweigstelle vorzuhalten. Das heißt auch an der Zweigniederlassung muss der Rechtsanwalt einen eigenständigen Büroraum, Telekommunikationsanschluss, Briefkasten und Kanzlei- oder zumindest Briefkastenschild aufweisen (die Pflicht zu einem Kanzleischild besteht an keinem Kanzleistandort, wenn ein Klingelschild und Briefkastenschild vorhanden sind, vgl. BGH, DtZ 1995, 132). Er muss wenigstens zu festen Sprechtagen in seiner Zweigniederlassung auch persönlich anzutreffen sein (vgl. BGH, Urt. v. 13.9.2010 – AnwZ (P) 1/09, NJW 2010, 3787, 3789). Die Räumlichkeit der Zweigstelle muss als solche klar erkennbar sein. Die Räumlichkeit muss als "Zweigstelle" auf dem Kanzleischild deutlich sichtbar ausgewiesen werden. Anders als bei der Hauptstelle, ist also in jedem Fall ein Kanzleischild notwendig. Damit soll sichergestellt werden, dass der Besucher von vornherein weiß, dass es sich nur um eine Zweigstelle und nicht um die Hauptstelle der Kanzlei handelt.
An eine Zweigstelle werden seit der Satzungsreform, die zum 1.1.2011 in Kraft trat, ansonsten die gleichen beruflichen Anforderungen wie an die Hauptkanzlei gestellt. Es muss nach § 5 BORA einen Mindestbestand an sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sein. In organisatorischer Hinsicht meint dies, dass der Rechtsanwalt in den Räumlichkeiten eine normale Büroeinrichtung, eine juristische Einrichtung (Gesetze, Kommentare, wobei ein Zugriff mittels elektronischer Medien ausreicht) und Telekommunikationsmittel (Telefon, Telefax, Internet) aufweisen muss. Der entscheidende Unterschied zwischen Kanzlei und Zweigstelle ergibt sich allein aus dem Willen des Rechtsanwalts, der seine Kanzlei als den ersten Ort und die Anbindung an die zuständige RAK erklärt und jede Zweigstelle als einen weiteren Ort der Niederlassung ansieht (Henssler/Prütting, BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Aufl. 2019 Rn 23 zu § 5 BORA).
Praxistipp:
Die RAK überprüft nicht, in welchem Büro der Rechtsanwalt mehr Zeit verbringt. So kann ein Rechtsanwalt durchaus auch die Kanzlei zu seiner Hauptstelle machen, an der er sich im Gegensatz zur Zweigstelle zeitlich etwas weniger aufhält, solange die Diskrepanz der Zeit des Aufenthalts zwischen beiden Büros nicht auffällig stark auseinanderfällt und er die organisatorischen Voraussetzungen an beide Niederlassungen nicht erfüllt.
Es reicht, wenn der Berufsträger dort regelmäßig zu festen Sprechtagen anzutreffen ist, wobei im Idealfall von einer mindestens wöchentlichen physischen Präsenz auszugehen sein dürfte. Doch dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht konkret definiert.
Das KG verwendet dazu in einem obiter dictum zur Abgrenzung einer Zweigstelle von einer Hauptkanzlei den Begriff "bei Bedarf" (KG, a.a.O.: "Orte, an denen ein Rechtsanwalt regelmäßig (nur) bei Bedarf anzutreffen ist, wäre nach dieser Definition Zweigstellen"). Es führt aus, dass der Rechtsanwalt dort eine Zweigstelle unterhalte, wo er sich "bei Bedarf" physisch aufhalte. Eine genaue Definition, was unter "bei Bedarf" zu verstehen ist, gibt auch das KG nicht.
Es reicht mit Sicherheit jedenfalls nicht aus, wenn der Berufsträger nur in seltenen Ausnahm...