Wenn "findige" Anwälte auf die Idee kommen, die Möglichkeiten von Bürodienstleistungszentren für sich zu nutzen, indem sie Postanschriften in anderen Städten anmieten und sich dort eingehende Post in ihre Kanzlei nachschicken lassen, täuschen sie nach außen eine Größe vor, die sie tatsächlich gar nicht haben und führen damit in die Irre (§ 27 Abs. 2 BRAO; § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Das Gleiche gilt, wenn sie solche Postanschriften werbend als "Büro" oder "Beratungsbüro" titulieren.

Post, die an eine solche Anschrift geschickt wird, erreicht den Rechtsanwalt tatsächlich erst mit einigen Tagen Verspätung. Bei Zustellungen ist infolge der notwendigen Nachsendung mit Verzögerungen zu rechnen, die ebenfalls eine geordnete und effektive Rechtspflege behindern (Anwaltsgerichtshof Dresden, a.a.O., BRAK-Mitteilungen 2005, 31, 34).

Und was nutzt es dem Rechtssuchenden zu glauben, der Rechtsanwalt sei physisch an dem Ort präsent und würde dort Besprechungen mit ihm durchführen, wenn tatsächlich eine persönliche Besprechung in der Räumlichkeit mit einer weiten Entfernung für den Rechtsanwalt verbunden wäre? Schlussendlich finden Besprechungen sodann mit dem Rechtssuchenden nur mithilfe von Telekommunikationsmitteln statt oder würden durch lange Anreisen des Rechtsanwalts (soweit dieser überhaupt bereit ist, tatsächlich die Besprechungsräume für eine Unterredung gegen zusätzliches Mietentgelt anzumieten und dafür anzureisen) terminlich erschwert werden. Die Regel ist, dass diese Anschriften nur werbend als Vorwand angegeben werden, die Kanzlei sei auch vor Ort tätig.

Der Grund für ein solches virtuelles Büro ist für den Rechtsanwalt vielmehr offensichtlich rein von Marketinggesichtspunkten geleitet. Es wird nach außen der Eindruck erweckt, der Rechtsanwalt sei auch in der jeweiligen Stadt physisch präsent, was er tatsächlich aber nicht ist. Es wird eine Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen, d.h. mit den am Ort tätigen Richtern und deren Gepflogenheiten und Rechtsansichten suggeriert, von der sich der Rechtssuchende Vorteile bei der Durchsetzung seiner Ansprüche verspricht. Es wird suggeriert, der Rechtsanwalt sei vor Ort anzutreffen und zu sprechen. Allemal redlicher wäre es, Rechtssuchenden einen persönlichen Besuch bei ihnen daheim zu versprechen (und dies sodann auch einzulösen!), als nach außen vorzutäuschen, an einer bestimmten Anschrift erreichbar zu sein.

Diese Rechtsanwälte arbeiten im Wettbewerb zum Nachteil aller redlich am Markt teilnehmenden Rechtsanwälte. Ihre Vorgehensweise hat Wettbewerbsverzerrungen zur Folge, die auf den Rücken all der Rechtsanwälte ausgetragen werden, die sich an den Spielregeln halten. Man stelle sich eine Republik vor, bei der jeder Rechtsanwalt sich in jeder größeren Stadt in Bürodienstleistungszentren Postanschriften anmieten würde. Wir erlebten einen Boom von Bürodienstleistungszentren in unseren Städten. So viele Bürodienstleistungszentren könnten kaum eröffnen, wie Briefkastenschilder von Rechtsanwälten sich in deutschen Städten ausbreiten würden.

Manche Bürodienstleistungszentren "beherbergen" schon heute mehrere Anschriften von Rechtsanwälten, zum Teil sogar von direkten Wettbewerbern auf dem gleichen anwaltlichen Dienstleistungsbereich. Irgendwann würde es sich alsbald wirtschaftlich nicht mehr lohnen, dermaßen inflationär seine eigene Kanzlei in mehreren Städten zwanghaft zu bewerben. Der Öffentlichkeit wäre damit aber auch das letzte Vertrauen in die Rechtsanwaltschaft genommen.

Umso dringender erscheint es – nicht nur aber auch gerade im Angesicht eines prognostizierten digitalen Zeitalters, aber auch für eine Chancengleichheit aller Rechtsanwälte – notwendig, die Kanzleipflicht aus § 27 Abs. 1 BRAO beizubehalten und die schwammige Formulierung in § 5 BORA, wonach der Rechtsanwalt verpflichtet ist, "die für seine Berufsausübung erforderlichen, sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen in Kanzlei und Zweigstelle vorzuhalten", zu konkretisieren.

Rechtsanwaltskammern sollten entschiedener gegen Täuschungen des Rechtssuchenden durch Rechtsanwälte vorgehen und werbende Anschriften in Bürodienstleistungszentren, in denen der Rechtsanwalt keine Kanzlei i.S.d. § 27 BRAO unterhält, berufsrechtlich vorgehen. Dies kann im Einzelfall etwas Arbeit für die Rechtsanwaltskammern bedeuten. Doch der Schutz der Rechtspflege und die Herstellung und Bewahrung des Vertrauens in den Berufsstand des Rechtsanwalts erscheint dies allemal wert zu sein.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Kiwitt, Wedel

ZAP F. 23, S. 1029–1042

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?