Bei seiner Entscheidung, ob er das (angetragene) Mandat annimmt, muss der Rechtsanwalt sich überlegen, welche Gründe für oder gegen die Annahme des Mandats sprechen. Dazu empfiehlt es sich, anhand von Checklisten vorzugehen. Dadurch wird vermieden, dass Punkte, die für oder gegen das Mandat sprechen, übersehen werden (vgl. zu allem auch Burhoff, EV, Rn 4632 ff.).
1. Checkliste: Allgemeines Mandat
- Bin ich grds. bereit und in der Lage, mit diesem Mandanten zusammenzuarbeiten oder habe ich Bedenken (insoweit Ackermann NJW 1954, 1385 ff.; zu den Problemen bei der sog. Verteidigung wider besseres Wissen: Hammerstein NStZ 1997, 12; s. auch Burhoff, EV, Rn 4702)?
- Habe ich eine (unüberwindbare) Abneigung gegen den Mandanten, weil er einer von mir abgelehnten Personengruppe (z.B. Zuhälter, Prostituierte, Alkoholiker, BtM-Abhängige, Anhänger einer von mir abgelehnten politischen Gruppe, Terrorist) angehört?
- Kann ich mit dem Mandanten unter Berücksichtigung des ihm vorgeworfenen Delikts (z.B. Internetpornografie) zusammenarbeiten oder kann ich die Verteidigung wegen des Delikts überhaupt (sexueller Missbrauch von Minderjährigen) oder ggf. wegen der konkreten Tatmodalitäten (besonders brutaler Mord oder besonders brutale Vergewaltigung) nicht ordnungsgemäß führen (eingehend zur Verteidigung bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Geipel StV 2008, 271)?
- Bin ich in der Lage, die Verteidigung sachgerecht zu führen, oder ist mir das z.B. wegen der zu erwartenden Verfahrensdauer (Umfangsverfahren, das voraussichtlich über mehrere Monate/Jahre laufen wird) oder des sonstigen Umfangs des Verfahrens oder weil Spezialkenntnisse erforderlich sind (z.B. in Wirtschaftsstrafsachen, Steuerstrafverfahren u.a.) nicht möglich (zur Strafverteidigung in Umfangsverfahren Fromm NJW 2013, 982; zur "guten Verteidigung" aus Sicht eines Tatrichters Drees StraFo 2013, 316 und zum "nicht könnenden Verteidiger" Stehr, Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, S. 183, 186 ff.)?
- Bietet sich ggf. eine Teamverteidigung an (vgl. dazu Sommer StraFo 2013, 6)?
- Bestehen Interessenkollisionen? Dem Rechtsanwalt steht zur Erfüllung seiner berufsrechtlichen Pflicht, die Aktenlage zur Vermeidung von Interessenkollisionen zu überprüfen, ein Akteneinsichtsrecht nach § 475 StPO zu (OLG Hamburg StV 2017, 184 zugleich auch zum Parteiverrat eines Rechtsanwalts durch ein Akteneinsichtsgesuch; s.a. Schott/Krug PStR 2019, 33).
- Bestehen ggf., wenn schon HV anberaumt ist, Terminskollisionen mit in anderen Verfahren bereits anberaumten HV (allgemein zum "auswärtigen" Mandat Fromm NJOZ 2014, 1761)?
- Kann mein Büro das zu erwartende Verfahren abwickeln oder ist es dazu zu klein?
2. Checkliste: U-Haft-Mandat
Befindet sich der Mandant in U-Haft, muss der Verteidiger/Rechtsanwalt sich darüber klar sein, dass dieses Mandat besondere Anforderungen an ihn stellen und zu einer besonderen Arbeitsbelastung führen kann (vgl. Schmitz NJW 2009, 40; dies. NJW 2010, 1728):
- Diesen Mandaten liegen i.d.R. schwerwiegende Tatvorwürfe zugrunde, die ggf. eigene Ermittlungen des Verteidigers erfordern.
- Der Verteidiger hat hier i.d.R. auch zusätzlich nicht unmittelbar mit dem Tatvorwurf zusammenhängende Anträge, die ihren Ursprung in der Haftsituation haben, zu bearbeiten (z.B. Haftbeschwerden, Haftprüfungen durch das OLG gem. §§ 121, 122 StPO).
- Der Rechtsanwalt muss gerade bei diesen Mandaten damit rechnen, dass der Mandant einen/mehrere andere Verteidiger beauftragt (hat), weil ihm dies in der Haftanstalt von Mitinsassen so geraten worden ist. Zudem sind die Fälle des "Mandantenklaus" häufig.
- Die Verteidigung ist zudem auch oftmals dadurch erschwert, dass der Verteidiger seinen Mandanten – i.d.R. mehr als einmal – in der Haftanstalt besuchen muss, wenn er das für die Verteidigung notwendige Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen will. Zu den Mindeststandards der Verteidigertätigkeit gehört ein Mindestmaß an Bemühungen um Kontaktaufnahme zum (inhaftierten) Mandanten (vgl. BGH NStZ 2009, 465).
3. Checkliste: Ausländischer Mandant
Handelt es sich bei dem potenziellen Mandanten um einen Ausländer, muss der Verteidiger berücksichtigen, dass diese Mandate besonders arbeitsintensiv werden können (vgl. Schlothauer/Weider/Nobis, Untersuchungshaft, 5. Aufl., Rn 24; eingehend dazu Jung StV 2007, 663). Man sollte sich folgende Fragen stellen:
- Häufig ist die Verständigung mit dem Mandanten nur über einen Dolmetscher möglich, sodass der Verteidiger sich mit den Fragen der Zuziehung eines Dolmetschers im Ermittlungsverfahren beschäftigen muss (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 5115 ff. m.w.N.).
- Das eine "ausländische" Mandat zieht häufig eine ausländerrechtliche Folgesache nach sich.
- Bei ausländischen Mandanten wird sich auch besonders häufig die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers stellen (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 3028).
- Bei der Mandatsführung können der besondere kulturelle Hintergrund und evtl. ein anderes Rechtsverständnis für die Verteidigung von Bedeutung sein. Mit diesen Fragen muss er sich dann ggf. zusätzlich beschäftigen (Schlothauer/Weider/Nobis, a.a.O., Rn 29).
- Schließlich darf der...