I. Grundlage des Mandats
Gerade ein strafrechtliches Mandat erfordert von beiden Seiten besonderes Vertrauen. Daher ist vor Übernahme des Mandats durch Abschluss des Mandatsvertrags ein erstes "vertrauensbildendes" Gespräch zwischen den zukünftigen Vertragsparteien, Mandant und Verteidiger, hilfreich und erforderlich. In diesem Gespräch sollte der Rechtsanwalt sich noch einmal über die rechtlichen Grundlagen des ihm angetragenen Mandats klar werden. Zudem sollte er das Für und Wider gerade dieses Mandats erwägen und vor allem mit dem potenziellen Mandanten auch die Honorarfrage erörtern. Das dient letztlich alles dazu, manchmal übertriebene Erwartungen des Mandanten von vornherein auszuschließen. Der Mandant kann zudem in diesem ersten Gespräch seinen zukünftigen Verteidiger kennenlernen und sich einen ersten Überblick über dessen Sachkompetenz verschaffen. Der Rechtsanwalt erfährt genauer, was der Mandant eigentlich von ihm erwartet.
1. Wahlverteidiger
Die Tätigkeit des (Wahl-)Verteidigers beginnt mit der Beauftragung durch den Mandanten und der Annahme des Mandats durch den Rechtsanwalt. Zivilrechtlich kommt dadurch zwischen dem Rechtsanwalt als Wahlverteidiger und dem Mandanten ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB, dessen Gegenstand eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB ist, zustande (BGH NJW 1964, 2402; s.a. Pauka StraFo 2019, 360, 361). Die Rechte und Pflichten des Verteidigers bestimmen sich damit nach bürgerlichem Recht, soweit sich nicht aus dem Wesen der Verteidigung Besonderheiten ergeben (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 4611 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]). Dem Rechtsanwalt steht es grds. frei, ein ihm angetragenes (Wahl-)Mandat anzunehmen oder abzulehnen (zur Frage des Kontrahierungszwangs nach dem AGG Armbrüster NJW 2007, 1494; Thüsing/von Hoff NJW 2007, 21; zu allem Amelung, Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, 2020, S. 23 ff.).
Für das Zustandekommen des Mandatsverhältnisses sind das Angebot zum Vertragsabschluss und dessen Annahme (§ 151 BGB) erforderlich (BGH StraFo 2010, 339). In der Regel erfolgt der Vertragsschluss durch die Unterzeichnung der Vollmacht, obwohl das Vorliegen einer Vollmachtsurkunde nicht Voraussetzung für ein Tätigwerden des Verteidigers ist (Burhoff, EV, Rn 4677; zur [bejahten] Frage, ob bei Übernahme des Mandats in der JVA das Fernabsatzrecht gilt BGH NJW 2018, 690, wegen weiterer Einzelh. Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- Bußgeldsachen, 5. Aufl., Teil A Rn 2325 m.w.N.).
Hinweis:
Häufig wird der Verteidiger auch dadurch "bevollmächtigt", dass der Beschuldigte gegenüber Polizei und/oder Staatsanwaltschaft ihn als Verteidiger angibt. Wird der Verteidiger daraufhin von den Ermittlungsbehörden angeschrieben und (unter Fristsetzung) um eine Äußerung des Beschuldigten gebeten, muss er sich umgehend mit dem Beschuldigten in Verbindung setzen. Das gilt besonders dann, wenn er den "Auftrag" nicht annehmen will. Denn nach § 44 BRAO muss der Rechtsanwalt die Ablehnung eines ihm angetragenen Mandats unverzüglich anzeigen (zur "Unverzüglichkeit" s. Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 44 BRAO Rn 10 ff.).
2. Pflichtverteidiger
Der Pflichtverteidigung liegt kein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Verteidiger und dem Mandanten zugrunde. Vielmehr wird das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis nach h.M. durch den öffentlich-rechtlichen Akt der Beiordnung/Bestellung durch den Vorsitzenden des Gerichts begründet.
Der (Pflicht-)Verteidiger kann die "Übernahme" der Pflichtverteidigung grds. nicht ablehnen, sondern ist gem. § 49 Abs. 1 BRAO zur Übernahme verpflichtet. In der Praxis wird der Rechtsanwalt allerdings i.d.R. nicht gegen seinen erklärten Willen bestellt werden. Liegen wichtige Gründe vor, kann der Rechtsanwalt gem. § 48 Abs. 2 BRAO beantragen, von der beabsichtigten Beiordnung abzusehen oder eine Bestellung aufzuheben. Wichtige Gründe i.S.v. §§ 49 Abs. 2, 48 Abs. 2 BRAO werden i.d.R. die sein, die auch zur Entpflichtung des Verteidigers nach § 143 führen können (Burhoff, EV, Rn 3325).
II. Zu bedenkende Gründe "für/wider" das Mandat
Bei seiner Entscheidung, ob er das (angetragene) Mandat annimmt, muss der Rechtsanwalt sich überlegen, welche Gründe für oder gegen die Annahme des Mandats sprechen. Dazu empfiehlt es sich, anhand von Checklisten vorzugehen. Dadurch wird vermieden, dass Punkte, die für oder gegen das Mandat sprechen, übersehen werden (vgl. zu allem auch Burhoff, EV, Rn 4632 ff.).
1. Checkliste: Allgemeines Mandat
- Bin ich grds. bereit und in der Lage, mit diesem Mandanten zusammenzuarbeiten oder habe ich Bedenken (insoweit Ackermann NJW 1954, 1385 ff.; zu den Problemen bei der sog. Verteidigung wider besseres Wissen: Hammerstein NStZ 1997, 12; s. auch Burhoff, EV, Rn 4702)?
- Habe ich eine (unüberwindbare) Abneigung gegen den Mandanten, weil er einer von mir abgelehnten Personengruppe (z.B. Zuhälter, Prostituierte, Alkoholiker, BtM-Abhängige, Anhänger einer von mir abgelehnten politischen Gruppe, Terrorist) angehört?
- Kann ich mit dem Mandanten unter Berücksichtigung des ihm vorgeworfenen Delikts (z.B. Internetpornografie) zusammenarbe...