Bürgerinnen und Bürger sollen künftig mit Hilfe des Internets Klagen einfacher bei Gericht einreichen können. Zu diesem Zweck wird beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ein Online-Klagetool entwickelt, mit dem Bürger selbst ihre Ansprüche zumindest in einfach gelagerten Fällen gerichtlich durchsetzen können, ohne einen Anwalt oder einen Rechtsdienstleister in Anspruch nehmen zu müssen.
Bereits seit Mitte August arbeitet ein Team aus dem sog. Fellowship-Programm daran, einen Prototypen zu entwickeln, der noch in diesem Jahr fertig werden soll. Das Fellowship-Programm mit der Bezeichnung "Tech4Germany" ist aus Behördenmitarbeitern und sog. digitalen Talenten aus der Wirtschaft zusammengesetzt und steht unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzleramts. Dieses betrachtet die interdisziplinären Fellowship-Programme als Mittel, die Digitalisierung Deutschlands wirksam voranzutreiben. Das Projekt "Digitale Klagewege", das das BMJV in diesem Rahmen aktuell verfolgt, soll – auch ohne den Blick auf die derzeitige Pandemie – Bürgern erlauben, Ansprüche ohne lange Wege anzumelden; zudem sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, gleichgelagerte Verfahren, die in großer Zahl vorkommen und eine sehr regelbasierte und standardisierte Prüfung erfordern, einfacher, schneller und ressourcenschonender bearbeiten zu können. Die Projektidee knüpft an Reformvorschläge der Justizministerkonferenz sowie aus der Gerichtspraxis an.
In einem ersten Schritt sollen für die Projektentwicklung mietrechtliche Ansprüche in den Fokus genommen werden; Experten aus der Berliner Gerichtspraxis unterstützen das Entwicklungsteam hierbei. In der Projektbeschreibung heißt es dazu u.a.: "Klagewege sind komplex und für juristisch Unerfahrene nur schwer überschaubar. Auch wegen des Aufwands und Kostenrisikos, ziehen viele Bürger:innen häufig erst ab einem finanziellen Schaden von durchschnittlich 1.840 EUR vor Gericht. Auf diese Weise können Bürger:innen berechtigte Ansprüche in Millionenhöhe verlorengehen. Private Rechtsdienstleister helfen Bürger:innen, in standardisierten Massenstreitigkeiten auch geringe Forderungshöhen einzuklagen. Diese Klagewege kosten die Klagenden einen beträchtlichen Anteil des Klagewertes. Zudem werden die Amtsgerichte dabei von Klageschreiben überflutet, die sie bisher nicht einfach digital weiterverarbeiten können. In diesem Projekt möchte das BMJV daher unter Einbindung der praktischen Expertise eines Amtsgerichts den Mehrwert einer digitalen Infrastruktur zur Bearbeitung von Klagen sichtbar machen."
Welche Einnahmeneinbußen bei Einführung des vorgenannten Online-Klagetools mit Blick auf die Anwaltschaft und die mit Massenstreitigkeiten befassten Rechtsdienstleister künftig zu erwarten sind, wird eng zu verfolgen sein.
[Quellen: BMJV/Tech4Germany]