Für das Verfahren vor dem EuGH gilt die mit Wirkung zum 1.11.2012 novellierte und seitdem mehrfach geänderte Verfahrensordnung des Gerichtshofs v. 25.9.2012, ABl Nr. L 265/1. Ferner ist zu beachten das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs (s. ABl Nr. L 42/1 v. 14.2.2020), in der sich Normen zum Verfahren vor dem Gerichtshof aus Art. 19 ff. ergeben. Praktische Anweisungen für die Parteien in den Rechtssachen vor dem Gerichtshof finden sich unter: http:/curia.europa.eu/jcms/cms/Jo2_7031. Auf die dortigen umfassenden Ausführungen wird verwiesen.

Im Vorabentscheidungsverfahren können sich die Beteiligten des Ausgangsverfahrens sowie alle Organe der EU und Mitgliedsstaaten i.R.d. schriftlichen Verfahrens – zur Gliederung in ein schriftliches und ein mündliches Verfahren s. Art. 20 der Satzung EuGH und Art. 57 f. bzw. Art. 76 ff. VerfO – äußern (Art. 23 Satzung EuGH). Es bestehen keine besonderen Formerfordernisse, da das Vorabentscheidungsverfahren kein kontradiktorisches Verfahren ist. Die Möglichkeit zur Äußerung sollte auch wahrgenommen werden, um zu Auslegungsfragen Stellung zu beziehen und – vor allem – unklare Vorlagefragen richtig zu stellen. Die Frist beträgt zwei Monate ab Zustellung des Vorlagebeschlusses, Art. 23 Abs. 2 Satzung EuGH.

Die Vertretung richtet sich nach den Bestimmungen im nationalen Gerichtsverfahren: Anwaltszwang besteht also nur, soweit dies vor dem vorlegenden Gericht angeordnet ist (Art. 97 Abs. 3 VerfO EuGH), was im Sozialrecht nur bei Verfahren vor dem BSG der Fall ist (§ 73 Abs. 4 SGG).

Der EuGH kann in schriftlichen Verfahren (Art. 57 VerfO EuGH) oder aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden (Art. 76 ff. VerfO EuGH).

Da die Stellungnahmen der Beteiligten nahezu zeitgleich innerhalb derselben Frist abzugeben sind, besteht keine Gelegenheit zur schriftlichen Erwiderung auf den Vortrag anderer Beteiligter. Aus Anwaltssicht kann es sich empfehlen, sich im eigenen Schriftsatz mit den zu erwartenden Gegenargumenten auseinanderzusetzen (Latzel/Streinz, NJOZ 2013, 97, 107 m.w.N.).

Bei besonderer Dringlichkeit, was etwa angenommen wird bei der Gefahr einer irreparablen Verschlechterung des Eltern-Kind-Verhältnisses oder wenn eine Haftfortdauer von der Entscheidung abhängig ist, steht das Eilvorabentscheidungsverfahren – durchschnittliche Verfahrensdauer nur zwei Monate – nach Art. 107 ff. VerfO EuGH zur Verfügung. Ist eine rasche Vorabentscheidung geboten, ohne dass die engen Voraussetzungen nach Art. 107 ff. VerfO EuGH bestehen, kann ein beschleunigtes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 105 f. VerfO EuGH in Betracht kommen. Sind auch die zuletzt erwähnten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann noch eine vorrangige Entscheidung nach Art. 53 Abs. 3 VerfO EuGH ergehen.

Das Vorabentscheidungsverfahren ist grds. gerichtskostenfrei (Art. 143 VerfO EuGH). Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens ist Sache des vorlegenden Gerichts (Art. 102 VerfO EuGH). Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich demnach nach dem nationalem Kostenrecht.

In Deutschland bestimmt sich bei der Vertretung durch Anwälte das Anwaltshonorar nach § 38 RVG bzw. nach den dort verwiesenen Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses. Das Vorabentscheidungsverfahren bildet einen selbstständigen Gebührentatbestand. Ob die Verfahrensgebühr des Verfahrens, in welchem vorgelegt worden ist, auf die entsprechende Gebühr des Vorabentscheidungsverfahrens angerechnet wird, bestimmt sich nach § 38 Abs. 3 RVG. Die Rechtsschutzversicherungen kommen nach den ARB für Anwaltskosten, die durch Tätigkeit beim EuGH entstehen, grds. nicht auf. Prozesskostenhilfe – nebst anwaltlicher Beiordnung – kann allg. in Klageverfahren vor dem EuGH nach Art. 115 ff. VerfO EuGH bewilligt werden. Ist durch das vorlegende Gericht bereits Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden, so umfasst die Bewilligung grds. die Vertretung im Vorabentscheidungsverfahren, wenn kein wichtiger Grund für eine Entpflichtung besteht (BGH, Urt. v. 16.1.2014 – IX ZR 265/12, NJW 2014, 1539).

Zu beachten ist, dass der EuGH lediglich über die Gültigkeit und die Auslegung des Gemeinschaftsrechts entscheidet, aber nicht über den Ausgangsrechtsstreit. Vielmehr hat das nationale Gericht das Verfahren nach Ergehen der Entscheidung des EuGH weiterzuführen. Legt das nationale Gericht vor, wird das bei ihm anhängige Verfahren gleichzeitig ausgesetzt. Eine Beschwerde gegen den Vorlagebeschluss ist ausgeschlossen. Die Urteile des EuGH wirken zunächst inter partes, darüber hinaus kommt ihnen auch (zumindest faktische) Erga-Omnes-Wirkung zu (Latzel/Streinz, a.a.O., 108 m.w.N.). Die nationalen Gerichte haben die Urteile nach Art. 267 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV zu befolgen. Sieht sich das vorlegende Gericht durch die Entscheidung nicht ausreichend unterrichtet, kann der EuGH in derselben Sache erneut angerufen werden (Art. 104 Abs. 2 VerfO EuGH).

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