Ein Verbraucher hatte über eine Ticketsystem-Dienstleisterin online Eintrittskarten für ein Konzert gekauft, das am 24.3.2020 in Braunschweig stattfinden sollte. Diese Veranstaltung wurde dann aber wegen der Einschränkungen, die deutsche Behörden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassen hatten, abgesagt. Der Verbraucher widerrief seine Bestellerklärung und forderte von der Ticketsystem-Dienstleisterin als Verkäuferin den Kaufpreis sowie zusätzliche Kosten zurück. Da diese nicht darauf einging, verklagte der Verbraucher sie vor dem AG Bremen. Das Gericht war sich unsicher, ob eine Ausnahme vom Widerrufsrecht besteht, da die Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) eine solche vorsieht für den Fall, dass eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht wird und der Vertrag für die Erbringung der Leistungen einen spezifischen Termin vorsieht. Die Richtlinie verfolgt mit diesem Ausschluss das Ziel, Veranstalter von Freizeitbetätigungen wie Kultur- oder Sportveranstaltungen gegen das Risiko im Zusammenhang mit der Bereitstellung bestimmter verfügbarer Plätze, die sie im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig vergeben können, zu schützen (in Deutschland umgesetzt durch § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB). Angesichts dessen, dass die Ticketsystem-Dienstleisterin nicht selbst Veranstalterin des betreffenden Konzerts war, sondern die Eintrittskarten zwar auf Rechnung des Veranstalters, aber in eigenem Namen verkaufte, legte das AG Bremen dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Ausnahme vom Widerrufsrecht auch in einem solchen Fall besteht (Beschl. v. 8.1.2021 – 19 C 277/20). Der EuGH (Urt. v. 31.3.2022 – C-96/21) hat den Ausschluss des Widerrufsrechts bejaht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter der betreffenden Freizeitbetätigung treffen würde. Diese Voraussetzungen lagen im konkreten Falle vor. Denn nach den Bestimmungen des Vertrags zwischen der Vermittlerin und dem Veranstalter des Konzerts war dieser verpflichtet, die Vermittlerin in dem Fall, dass ein Käufer die Rückzahlung des Preises einer Eintrittskarte fordert, von jeder Haftung freizustellen. Im Fall der Auflösung des im Ausgangsverfahren fraglichen Vertrags infolge eines Widerrufs wäre der Konzertveranstalter verpflichtet, den Kaufpreis für die von der Vermittlerin erworbenen Eintrittskarten zu erstatten.
Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage dahingehend, dass Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 so auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der mit einem Vermittler, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters einer Freizeitbetätigung handelt, einen Fernabsatzvertrag über den Erwerb eines Zutrittsrechts zu dieser Betätigung geschlossen hat, sofern zum einen das Erlöschen der Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher zur Erfüllung des Vertrags im Wege des Widerrufs gem. Art. 12 Buchst. a der Richtlinie dem Veranstalter der betreffenden Betätigung das Risiko in Verbindung mit der Bereitstellung der hierdurch frei gewordenen Kapazitäten auferlegen würde und zum anderen die Freizeitbetätigung, zu der dieses Recht Zutritt gewährt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum stattfinden soll.