Ganze acht Jahre hat sich die Journalistin Birte Meier mit dem ZDF gestritten. Es ging um die Frage, ob es für gleiche Arbeit gleichen Lohn gibt. Das ist eine alte sozialdemokratische Forderung. Dank mutiger Frauen, die gegen Ungerechtigkeiten aufbegehren, dank neuer Gesetze und Gerichtsurteile nähert sich die Realität diesem Anspruch an. Aber es ist ein langer und schwieriger Weg.
Für Birte Meier ist er zu Ende – allerdings weiß man nicht genau, wie er endete. Die langjährige Mitarbeiterin des Magazins „Frontal 21” und das ZDF haben vor dem Berliner Arbeitsgericht einen Vergleich geschlossen. Meier teilte der Öffentlichkeit mit, dass das ZDF ihr Geld überwiesen habe, die Summe nannte sie nicht. Die Journalistin war vor Gericht gezogen, weil sie sich diskriminiert fühlte. Sie machte geltend, dass sie über Jahre hinweg einen hohen dreistelligen Betrag im Monat weniger verdient habe als ihre männlichen Kollegen in vergleichbarer Position. In den ersten Instanzen kam sie mit diesem Vortrag nicht weiter. Meier sollte nachweisen, dass sie „als Frau” benachteiligt werde. Da hatte das ZDF leichtes Spiel: Es genügte, Qualifikation und Betriebszugehörigkeit als Kriterien zu nennen, und Meier ging leer aus.
Mitten im laufenden Rechtsstreit trat das Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Seit Januar 2018 gewährt es allen Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten das Recht, sich zu erkundigen, nach welchen Kriterien und Verfahren sie bezahlt werden. Sie können außerdem erfragen, wieviel andere Beschäftigte, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, verdienen. Doch für Menschen wie Birte Meier gab es eine Hürde: Unklar war zunächst, ob dieser Anspruch auch für freie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gilt. Meier nahm die Hürde: Das Bundesarbeitsgericht bejahte diese Frage im Jahr 2020 in einem Grundsatzurteil.
Meier kämpfte weiter. Und wie in ihrem Buch „Equal Pay Now” zu lesen ist, griff auch das ZDF zu harten Bandagen: Der Sender hatte ihr eine Schweigeklausel angeboten, die Meier ausschlug. 110.000 EUR und vier bezahlte Monate Urlaub hätte sie bekommen, wenn sie im Gegenzug ihre Vorwürfe nicht weiter öffentlich erhebt. Man kann niemandem vorwerfen, ein solches Angebot anzunehmen. Aber es ist verdienstvoll, dass die Journalistin Meier nicht schweigen wollte. Denn der Missstand ist offensichtlich: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts beträgt der Abstand von Frauen und Männern beim durchschnittlichen Bruttostundenlohn zurzeit 18 % (unbereinigter Gender-Pay-Gap). Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit auf einem der hinteren Plätze.
Das Entgelttransparenzgesetz hatte weniger Wirkung, als viele erhofft hatten – und manche befürchtet. Das hat auch damit zu tun, dass viele Frauen ihre Rechte gar nicht kennen oder Angst haben, mit ihrem Auskunftsbegehren beim Arbeitgeber anzuecken und damit ihre Karrierechancen zu verschlechtern. Hauptgrund aber sind geschlechtsspezifische Rollenbilder, die sich mit beeindruckender Hartnäckigkeit halten: Demnach haben Männer in der Partnerschaft die Rolle der Hauptverdiener, während die Frauen zum Familieneinkommen nur einen Beitrag leisteten, wenn überhaupt. Bei jüngeren Bewerberinnen spielt im Kalkül vieler Personalabteilungen noch immer eine Rolle, dass die Frauen schwanger werden könnten und dann längere Zeit ausfallen. So als würden nicht mittlerweile auch junge Väter zunehmend Elternzeit in Anspruch nehmen. Und als wäre die Frage nach dem Kinderwunsch im Einstellungsgespräch nicht seit Jahrzehnten verboten.
Die gute Nachricht ist: Immer weniger Frauen wollen noch länger dabei zuschauen. Sie wenden sich daher verstärkt an die Gerichte. Darunter war auch die Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb eines Unternehmens, die einen geringeren Monatslohn erhielt als ihr männlicher Kollege. Dabei befanden sich beide auf der gleichen Position im Unternehmen und waren im Abstand von nur wenigen Monaten eingestellt worden. Das bessere Gehalt erklärte das Unternehmen u.a. damit, dass der Mann „besser verhandelt” habe. Im Februar dieses Jahres hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 16.2.2023 – 8 AZR 450/21, s. ZAP EN-Nr. 580/2023 [Ls.]) klargestellt, dass Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht ohne Weiteres mit „besserem Verhandlungsgeschick” des Mannes begründet werden können. Arbeitnehmerinnen haben einen Anspruch darauf, für eine gleichwertige Tätigkeit auch das gleiche Gehalt zu erhalten wie ihre männlichen Kollegen.
Es geht voran. Das ist auch ein Appell an Anwältinnen. Viele verdienen weniger als männliche Kollegen – und das lässt sich nicht allein mit dem Familienrecht und anderen weniger gut bezahlten Fachrichtungen erklären, in denen besonders viele Frauen arbeiten. Wenn man für die Rechte anderer kämpft, sollte man die eigenen darüber nicht vergessen.
ZAP F., S. 921–922
Dr. iur. Helene Bubrowski, Politische Korrespondentin der FAZ und ZAP-Redaktionsbeirätin, Berlin