Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (kurz: B2B-Bereich) stellt sich gelegentlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die von einem Vertragspartner zur Verfügung gestellten AGB Vertragsgegenstand geworden sind. Der EuGH (Urt. v. 24.11.2022 – C-358/21) hatte sich auf Vorlage des Cour de cassation (Kassationshof, Belgien) aufgrund einer Gerichtsstandvereinbarung, die sich in AGB befand, mit dieser Fragestellung zu beschäftigen.
Die Parteien des zugrunde liegenden Verfahrens waren zum einen in Belgien und zum anderen in der Schweiz ansässig. Es war streitig, ob die Beklagte von der Klägerin in Rechnung gestellte Beträge gezahlt hatte. Am 22.11.2010 hatten die Parteien einen ersten Vertrag geschlossen, aufgrund dessen sich die spätere Klägerin verpflichtete, für Rechnung der späteren Beklagten Teebeutelschachteln zu einem bestimmten Preis zu verpacken und zu befüllen. Durch einen am 6.1.2011 geschlossenen zweiten Vertrag wurde der vereinbarte Preis geändert. In diesem weiteren Vertrag hieß es, dass dieser, wenn nichts anderes bestimmt sei, den AGB für den Kauf von Erzeugnissen der späteren Beklagten unterliege. Diese AGB, die mittels eines Hyperlinks auf einer Webseite eingesehen und heruntergeladen werden konnten, sahen vor, dass jede Vertragspartei „unwiderruflich für die Beilegung jedes Rechtsstreits, der seinen Ursprung unmittelbar oder mittelbar im Vertrag hat, der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der englischen Gerichte unterliegt”. Die Klägerin verklagte die Beklagte vor belgischen Gerichten auf Zahlung. Die Beklagte führte aus, dass nach ihren AGB die englischen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig seien. Es kam sodann darauf an, ob die Klägerin der Gerichtsstandsklausel zugestimmt hatte, da diese in den AGB der Beklagten enthalten und die AGB dem Vertrag nicht unmittelbar als Anhang beigefügt waren.
Kernfrage war damit, ob diese AGB, die eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der englischen Gerichte enthielten, wirksam in den Vertrag einbezogen worden waren. Diese Frage hat der EuGH in seinem eingangs genannten Urteil positiv beantwortet. Gemäß Art. 23 Abs. 2 der Brüssel-I-Verordnung, der gegenüber Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens eine neue Bestimmung darstelle, die eingefügt worden sei, um die Entwicklung neuer Kommunikationstechniken zu berücksichtigen, könne die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden u.a. davon abhängen, ob eine dauerhafte Aufzeichnung möglich sei. Eine Auslegung des Wortlauts dieser Vorschrift ergebe somit, dass es „ermöglicht” werden müsse, die Gerichtsstandsvereinbarung dauerhaft aufzuzeichnen, und dass es nicht darauf ankomme, ob der Text der AGB vom Käufer nach oder vor Anklicken des Feldes mit der Erklärung, dass er diese Bedingungen akzeptiert, tatsächlich dauerhaft aufgezeichnet worden sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Gerichtsstandsklausel in den AGB der Beklagten enthalten sei, auf die in dem zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Vertrag ausdrücklich hingewiesen werde. Dies gelte jedoch nur für den Fall eines deutlichen Hinweises, dem eine Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgehen könne, und nur, wenn feststehe, dass die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB der anderen Vertragspartei tatsächlich zugegangen seien. Da gem. Art. 23 Abs. 2 der Brüssel-I-Verordnung in seiner Auslegung durch den Gerichtshof die Übermittlung der betreffenden Informationen erfolge, wenn diese über einen Bildschirm sichtbar gemacht werden könnten, sei der Hinweis im schriftlichen Vertrag auf AGB durch Angabe des Hyperlinks zu einer Webseite, über die es grds. möglich sei, von diesen AGB Kenntnis zu nehmen, sofern dieser Hyperlink funktioniere und von einer Partei mit normaler Sorgfalt geöffnet werden könne, erst recht als Nachweis zu werten, dass diese Informationen zugegangen seien.
Der EuGH hat damit eine von deutschen Gerichten vertretene Ansicht, wonach es ausreicht, auf die AGB hinzuweisen (OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 7.12.2011 – 19 U 155/11; OLG Bremen, Urt. v. 11.2.2004 – 1 U 68/03; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 18.2.2011 – 14 O 5572/10), bestätigt. Der anderen Vertragspartei muss die Möglichkeit verschafft werden, von dem Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (u.a. LG Köln, Urt. v. 22.6.2022 – 4 O 38/21).