Nachdem im konkreten Fall festgestellt ist, was zum Unterhaltsbedarf gehört, ist anschließend zu prüfen, ob der Anspruch stellende Elternteil konkret unterhaltsbedürftig ist. Die Bedürftigkeit des Elternteils ist gegeben, wenn er seinen Bedarf nicht durch eigene Einkünfte aus Rente oder auch aus Vermögensanlagen (Zinsen, Dividenden, Mieteinkünfte usw.) decken kann. Im Ergebnis darf weder einsetzbares Vermögen vorhanden sein, noch dürfen Einkünfte aus Vermögen oder Erwerbstätigkeit in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen, um den festgestellten Bedarf selbst aus eigenen Mitteln zu decken.
Hinweis:
Auch beim unterhaltsberechtigten Elternteil können fiktive Einkünfte in Betracht kommen, wenn die Verletzung einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit vorliegt.
1. Anrechenbare Einkünfte des unterhaltsberechtigten Elternteils
Bedarfsdeckend sind sämtliche Einkünfte, also die eigene Rente, sonstige Versorgungsbezüge, Unterhaltsansprüche gegenüber dem vorrangig unterhaltspflichtigen – auch geschiedenen – Ehegatten, Vermögenserträge, Erträge aus Verwertung des Vermögens, Wohnvorteil beim Wohnen im Eigenheim oder bei einem Wohnrecht, Sozialleistungen – soweit sie nicht subsidiär gewährt werden, Wohngeld (BGH, Urt. v. 19.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860) – soweit es nicht erhöhte Wohnkosten abdeckt, Leistungen der Pflegeversicherung, Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz (Brudermüller NJW 2004, 633, 634).
a) Pflegeversicherung
Bezogenes Pflegegeld ist ebenfalls unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen des Elternteils. Die monatlichen Leistungen der Pflegeversicherung betragen zzt. gem. §§ 36, 43 SGB XI bei stationärer Pflege:
- Pflegegrad 1: 125 EUR
- Pflegegrad 2: 770 EUR
- Pflegegrad 3: 1.262 EUR
- Pflegegrad 4: 1.775 EUR
- Pflegegrad 5: 2.005 EUR
Der BGH hat bestätigt, dass grundsätzlich auch ein fiktiver Ansatz des Pflegegelds vom Unterhaltsbedarf des pflegebedürftigen berechtigten Elternteils abgezogen werden kann, wenn dieser es versäumt hat, sich hinreichend für den Eintritt seines Pflegefalls zu versichern (BGH, Beschl. v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594 m. Anm. Borth; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.7.2014 – 16 UF 129/13, FamRZ 2015, 515; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.10.2012 – 14 UF 82/12, FamRZ 2013, 1143). Es muss aber eine tatsächliche Obliegenheitsverletzung der Berechtigten festgestellt werden, um hier ein fiktives Einkommen in Form der Leistungen der Pflegeversicherung ansetzen zu können.
b) Verhältnis Grundsicherungs- zu Unterhaltsleistungen
Leistungen der Grundsicherung im Alter sind ebenfalls unterhaltsrechtlich relevante Einkünfte, die den Bedarf des unterhaltsberechtigten Elternteils decken. Sie sind gegenüber dem Anspruch auf Elternunterhalt vorrangig, gelten als Einkommen und reduzieren dadurch den unterhaltsrechtlichen Bedarf, ohne dass es darauf ankommt, ob sie zu Recht oder zu Unrecht bewilligt worden sind (BGH, Urt. v. 20.12.2006 – XII ZR 84/04, FamRZ 2007, 1158 Rn 14).
Daraus ergibt sich für den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen; eine Verletzung dieser Obliegenheit kann daher zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Grundsicherung führen (BGH, Beschl. v. 8.7.2015 – XII ZB 56/14, FamRZ 2015, 1467 m.w.N.).
Grundsicherungsleistungen werden unabhängig von etwaigen Unterhaltsansprüchen gegen Eltern und Kinder gewährt, wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII vorliegen (BGH, Urt. v. 8.7.2015 – XII ZB 56/14 a.a.O. unter Hinweis auf BSG FamRZ 2009, 44 Rn 16). Eltern haben ab Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, wenn sie ihren Unterhalt nicht aus ihren Einkünften und Vermögen bestreiten können (§§ 41 ff. SGB XII).
c) Besonderheiten bei der Anrechnung von Wohngeld
Falls der bedürftige Elternteil noch in einer eigenen Wohnung lebt und Wohngeld bezieht, kann eine Anrechnung des Wohngelds in Betracht kommen. Allerdings ist der Anteil des Wohngelds, der dazu dient, erhöhte Wohnkosten auszugleichen, unterhaltsrechtlich nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Wohnkosten sind dann erhöht, wenn sie die den im notwendigen Eigenbedarfssatz der Leitlinien enthaltenen Wohnkostenanteil (von derzeit 380 EUR, vgl. 21.2 Leitlinien der OLG, Stand 1.1.2018) übersteigen (BGH, Urt. v. 20.2.2003 – XII ZR 67/00, FamRZ 2003, 860).
2. Anrechnung von Vermögen
Der Unterhaltsberechtigte muss vor einer Inanspruchnahme des Verpflichteten zunächst seinen Bedarf auch mit der Verwertung seines Vermögens bestreiten. Soweit Vermögen vorhanden ist, müssen daher nicht nur die Erträge für den Unterhalt, sondern es muss ...