Zusammenfassung
Der BGH bestätigt die Abschaffung der Anwendung der Grundsätze der Störerhaftung auf die Betreiber öffentlichen WLANs und hebt gleichzeitig einen evtl. vorhandenen Anspruch auf Sperrung des Zugangs zu Informationen hervor. (Leitsatz des Verfassers)
BGH, Urt. v. 26.7.2018 – I ZR 64/17, ZAP EN-Nr. 586/2018
Bearbeiter: Rechtsanwalt Guido Vierkötter, LL.M., Neunkirchen-Seelscheid
I Sachverhalt
Die Klägerin war Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an einem Computerspiel. Der Beklagte unterhielt einen Internetanschluss, über den in einer Internet-Tauschbörse Teile des Computerspiels zum Herunterladen angeboten wurden. Die Klägerin mahnte den Beklagten diesbezüglich ab und forderte ihn u.a. zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte wies dies zurück. Er war der Ansicht, dass er keine Rechtsverletzung begangen habe. Unter seiner IP-Adresse stelle er lediglich fünf öffentlich zugänglichen WLAN-Hotspots sowie drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem sog. TOR-Netzwerk zur Verfügung.
Nachdem das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung und zur Zahlung von vorgerichtlichen Abmahnkosten verurteilt hatte, ging der Beklagte in Berufung. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung zur Zahlung bestätigt. Im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass diesem unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel oder Teile davon der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen. Gegen diese Verurteilung wendete sich der Beklagte mit der Revision.
II Wesentlicher Inhalt
Der BGH hob die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung auf. Aus prozessualen Gründen hat er das Verfahren ferner an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Klägerin sollte vor dem Hintergrund des Grundsatzes des Vertrauensschutzes sowie des Anspruchs der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren durch die Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens Gelegenheit gegeben werden, eine – infolge der Änderung der Rechtslage – angepasste Antragsfassung einzureichen.
Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf) hatte zuvor am 16.3.2017 (I-20 U 17/16) über den Sachverhalt entschieden. Hiernach ist mit Wirkung zum 13.10.2017 eine Neufassung u.a. des § 8 Abs. 1 S. 2 Telemediengesetz (TMG) in Kraft getreten.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 TMG, der die Haftung von Zugangsprovidern (Access-Providern) regelt, sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationswerk übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewertet oder verändert haben. Fehlt eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nach dieser Norm, kann er nach der Neufassung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf u.a. Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden. Diese Gesetzesfassung gab es weder zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlung, noch zum Zeitpunkt der Abmahnung, noch zu dem des Berufungsurteils.
Da die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch jedoch auf eine Wiederholungsgefahr gestützt hatte, war die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten des Beklagten sowohl zum Zeitpunkt der Vornahme als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist.
Hinweis:
Der BGH konnte daher die nach Verkündung des Berufungsurteils (16.3.2017) eingetretene Neufassung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG (13.10.2017) bei seiner Entscheidung nicht unberücksichtigt lassen.
Der BGH stellte eingangs fest, dass sowohl im Zeitpunkt der Abmahnung als auch im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung die Voraussetzungen der Störerhaftung des Beklagten vorgelegen hätten. Infolge der Änderung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG habe sich die Rechtslage jedoch dahingehend geändert, dass der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch seit dem 13.10.2017 dem Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG unterfalle. Hierbei sei unbeachtlich, ob der Anspruch auf die Begehung der Rechtsverletzung über das bereitgestellte WLAN oder über das Unterhalten von sog. Tor-Netzwerken gestützt werde.
Die Bedenken der Klägerin, dass die Anwendung des § 8 Abs. 1 S. 2 TMG gegen Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG (sog. Urheberrechtsrichtlinie) und Art. 11 S. 3 der Richtlinie 2004/48/EG (sog. Rechtsdurchsetzungsrichtlinie) verstoße, teilte der Senat nicht. Die Klägerin hatte insofern die Ansicht vertreten, dass § 8 Abs. 1 S. 2 TMG vor dem Hintergrund dieser europarechtlichen Vorgaben nicht angewendet werden dürfe; dies hätte die Fortgeltung der Grundsätze der Störerhaftung bedeutet. Nach Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dri...