a) Grundsatz
In Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges in der Arbeitsgerichtsbarkeit besteht gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder eines Beistands (s. hierzu Hansens ZAP 2017, 375 ff.; Ders. RVGreport 2015, 401 ff.; s. auch BAG RVGreport 2015, 426 [Hansens] = AGS 2015, 483 für Ausnahmen).
b) Besonderheiten im Entschädigungsverfahren
Wie vorstehend (s. IV. 1.) erörtert, handelt es sich bei dem Verfahren auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem LAG um ein Verfahren erster Instanz. Dies spricht dem ersten Anschein nach dafür, dass auch für ein solches Entschädigungsverfahren der in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG geregelte Ausschluss der Kostenerstattung von Parteikosten gilt.
Das LAG Sachsen-Anhalt (vgl. RVGreport 2019, 186 [Hansens]) hat sich jedoch gegen die Anwendung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgesprochen. Nach Auffassung des LAG ist nämlich Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, den Rechtsweg vor dem Gericht erster Instanz ohne das Risiko zu beschreiten, die Kosten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers zu tragen. Auch eigene Anwaltskosten würden dem Arbeitnehmer nicht zwingend anfallen, da in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz kein Anwaltszwang besteht. Bei Klagen auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem LAG besteht jedoch gem. § 11 Abs. 4 ArbGG Vertretungszwang.
Nach Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt (a.a.O.) sprechen auch sozialpolitische Gründe gegen einen Ausschluss der Kostenerstattung. Bei einem erfolgreichen Verfahren hat nämlich i.d.R. das beklagte Land als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Deshalb sei es – so das LAG – im Regelfall unangemessen, das beklagte Land gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG von der Kostenerstattung zu befreien, obwohl sich die Parteien in einem solchen Verfahren gem. § 11 Abs. 4 ArbGG durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen.
Gebührentipp:
Die Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt ist – soweit ersichtlich – die erste bekannt gewordene Entscheidung eines LAG, die sich zur Anwendbarkeit des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG in Verfahren wegen einer Entschädigung bei unangemessener Verfahrensdauer befasst. Eine Entscheidung des BAG hierzu ist aus Gründen des Verfahrensrechts nicht zu erreichen. Die richterliche Entscheidung – hier also die Entscheidung des LAG – auf die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG ist nämlich nicht anfechtbar (s. BGH RVGreport 2016, 30 [Hansens]; BGH ZIP 2011, 1170).
Der Prozessbevollmächtigte der in einem Entschädigungsverfahren obsiegenden Partei sollte deshalb auch in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Anwaltskosten des Mandanten im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. In seinem Kostenfestsetzungsantrag sollte er dabei ausdrücklich auf die hier erörterte Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt Bezug nehmen. Die Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt liegt übrigens auch auf der Linie meiner Äußerungen in RVGreport 2015, 401, 402 und der Auffassung von Germelmann/Matthes/Prütting, 9. Aufl. 2017, § 12a ArbGG, Rn 2a).
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
ZAP F. 24, S. 1089–1090