Nach wie vor heftig umstritten ist, in welcher Höhe das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden darf (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 543 Rn 99 m.w.N.). Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass die Höhe von allen Umständen des Einzelfalls abhängt, wobei der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 8.7.1982 – VII ZR 96/81). Maßgeblich soll hierbei insbesondere sein, welche Beeinträchtigungen des mietvertraglichen Gebrauchs durch den jeweiligen Mangel vorliegen.
Nach Auffassung des BGH muss der zurückbehaltene Betrag in jedem Fall nach Treu und Glauben aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zeitlich und summenmäßig begrenzt sein, um zu verhindern, dass der Mieter, wenn der Vermieter den Mangel nicht alsbald beseitigt, möglicherweise über längere Zeit hinweg (nahezu) keine Miete zu zahlen braucht. Sofern der Vermieter – wie regelmäßig – seine Leistung zum Teil erbracht hat, so kann der Mieter i.d.R. nicht die gesamte ungeminderte Miete zurückhalten (vgl. § 320 Abs. 2 BGB). Die jeweilige Zurückbehaltungsquote muss in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels stehen (BGH, Urt. v. 7.6.2015 – VIII ZR 19/14; BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14).
Die neuere Rechtsprechung des BGH ist in der Literatur auf nahezu einhellige Kritik gestoßen, da diese dazu führen würde, dass eine Vertragsverletzung des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB mit einem Rechtsverlust für den Mieter durch höhenmäßige Begrenzung seines Zurückbehaltungsrechts belohnt werde und der Vermieter zudem die Möglichkeit habe, eine Kündigung wegen rückständigen Mietzinses abzugeben, so dass der Mieter grundsätzlich die gesamte Miete zurückhalten könne in der Höhe und so lange, bis der Vermieter den Mangel vollständig beseitigt hat (so explizit Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 536 Rn 106 m.w.N.; ebenfalls kritisch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 426 ff. m.w.N.).
Praxistipp:
Die für die mietrechtliche Praxis zu beachtende Rechtsprechung des BGH führt dazu, dass sich eine schematische Betrachtungsweise zur Höhe des berechtigter Weise zurückzuhaltenden Betrags verbietet und es mithin Aufgabe des Tatrichters ist, im Rahmen seines Beurteilungsspielraums unter Beachtung der aufgestellten Abwägungskriterien eine konkrete maximale Höhe festzustellen. Für den Mieter ergibt sich daraus ein Dilemma, sofern er den Weg einer Mietminderung und eines Zurückbehaltungsrechts wählt, anstatt Klage gegen den Vermieter auf Mängelbeseitigung zu erheben und sich eine Rückforderung zu viel gezahlter Miete ausdrücklich vorzubehalten:
Der Mieter kann regelmäßig nicht wissen, zu welchem konkreten Minderungsbetrag der Tatrichter nach umfassender Abwägung im Einzelfall gelangt, so dass aus Mietersicht dringend anzuraten ist, nur äußerst zurückhaltend zu agieren und möglicherweise doch den sicheren Weg zu wählen, Hauptsacheklage gegen den Vermieter auf Mängelbeseitigung zu erheben (vgl. hierzu Börstinghaus, MietPrax-AK § 543 BGB Nr. 26, der aufgrund dieser Problematik dem Mieter einen sog. Schätzirrtum zubilligen möchte).
Der Entscheidung des BGH ist wohl zu entnehmen, dass der Mieter bei leichten Mängeln maximal drei und bei schweren Mängeln u.U. vier bis sechs Monatsmieten zurückhalten darf, wobei es dem Mieter in zeitlicher Hinsicht überlassen bleibt, ob er den vollen Betrag möglichst schnell ausschöpft oder ob er sich bis zur Erreichung des Höchstbetrags mehr Zeit lässt (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 426b m.w.N.).