Neben dem Recht auf eine angemessene Mietminderung hat der Mieter die Möglichkeit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts aus § 320 BGB für die Zeit der Mangelhaftigkeit der Mietsache, um auf den Vermieter Druck auszuüben, den vertragsgemäßen Zustand wiederherzustellen (BGH, Urt. v. 7.5.1982 – V ZR 90/81; BGH, Beschl. v. 11.6.1997 – XII ZR 254/95; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O. § 536 Rn 409). Gewährleistungsrechte werden nach ganz h.M. von § 320 BGB nicht berührt. Praktisch bedeutet dies, dass der Mieter den nicht von der Minderung erfassten Betrag des Mietzinses zurückhalten darf, um den Vermieter zusätzlich zur Erfüllung seiner Primärpflicht aus § 535 BGB anzuhalten. Sofern der Vermieter den Mangel beseitigt, muss der Mieter den zurückbehaltenen Betrag nachzahlen (§ 322 BGB). Ein Anspruch des Vermieters auf Verzinsung des zurückgehaltenen Mietzinses besteht mangels Fälligkeit dieser Forderungen jedoch nicht (LG Köln, Urt. v. 20.12.1989 – 10 S 201/89). Daneben steht dem Mieter das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zu, allerdings nur für künftige Mietzahlungen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.1987 – 10 U 220/86).
Praxistipp:
Nach der Entscheidung des BGH vom 22.8.2018 (VIII ZR 99/17) gilt die Pflicht des Vermieters, die Wohnung gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen und sie fortlaufend in diesem Zustand zu erhalten unerheblich davon, ob der Mieter die Mietsache tatsächlich nutzt und ihn ein Mangel daher subjektiv beeinträchtigt.
Macht der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB gegen Mietzinsansprüche aus Vergangenheit und Gegenwart geltend, genügt es materiell rechtlich, dass das Zurückbehaltungsrecht besteht, der Mieter muss sich nicht vorgerichtlich darauf berufen (BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 198/91). Bei einem auf § 273 BGB gestützten Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich in der Zukunft liegender Mietzinsansprüche ist hingegen erforderlich, dass vor dem Zugang einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigungserklärung die daraus folgende Einrede erhoben wurde, damit der Vermieter ggf. von seiner Abwendungsbefugnis nach § 273 Abs. 3 BGB Gebrauch machen kann (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. § 543 Rn 99).
Praxistipp:
Die Tatsache, dass § 320 BGB bereits materiell-rechtlich den Eintritt des Schuldnerverzugs verhindert, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Mieter im Rahmen eines Räumungsprozesses die Einrede prozessual erheben muss, um diese materiell-rechtlichen Wirkungen geltend machen zu können! Eine mögliche Formulierung könnte z.B. wie folgt lauten:
"Es wird ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB und § 273 BGB gestützt auf den Anspruch auf Mängelbeseitigung aus § 535 BGB geltend gemacht: Neben der Mietminderung i.H.v. 50 % der Bruttomiete durfte der Mieter weitere 800 EUR pro Monat seit September 2018 zurückhalten, um den Vermieter zur Mängelbeseitigung anzuhalten."
Nach der Rechtsprechung des BGH besteht das Zurückbehaltungsrecht für den Mieter erst nach rechtzeitiger Mangelanzeige, sofern der Mangel dem Vermieter tatsächlich nicht bekannt war. Insoweit besteht ein Gleichlauf zum Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, der nach h.M. in diesem Fall auch nicht besteht, weil der Mieter sich selbst nicht vertragstreu verhält (§ 242 BGB). Nach Auffassung des BGH kann das Zurückbehaltungsrecht seine Druckfunktion auf den Vermieter nicht entfalten, wenn Letzterer keine Kenntnis vom Mangel erlangt. Des Weiteren sei eine schuldhaft nicht erfolgte Mängelanzeige durch den Mieter eine Vertragsverletzung, welche nicht zur Folge haben dürfe, dass der Mieter eine Kündigung wegen ausbleibender Mietzahlungen verhindern oder hinauszögern könne (BGH, Versäumnisurteil v. 3.11.2010 – VIII ZR 330/09; a.A. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 543 Rn 99b).
Sofern der Mieter die Mangelbeseitigung durch den Vermieter verweigert, so kann er sich nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf das Zurückbehaltungsrechts berufen, zu welchem die Mangelbeseitigung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter folglich wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen (BGH, Urt. v. 13.5.2015 – XII ZR 65/14).
1. Unterschied zur Mietminderung
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Recht auf Mietminderung und dem Zurückbehaltungsrechts des Mieters liegt darin, dass sich im Fall eines erheblichen Mangels der Mietsache kraft Gesetzes der zu bezahlende Mietzins entsprechend verringert und damit das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung wieder hergestellt wird, während das Zurückbehaltungsrecht primär dazu dient, Druck auf den Vermieter auszuüben, den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache wiederherzustellen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 422).
Für die hier besonders interessierende Fallkonstellation einer auf Mietrückständen begründeten Vermieterkündigung ist zu beachten, dass für die Frage, ob tatsächlich Mietrückstände des Mieters bestanden, sowohl die Frage einer Mietminderung inzident zu prüfen ist und b...