Auf Antrag der Leistungsberechtigten werden Leistungen zur Teilhabe (s. § 4 SGB IX, die in Betracht kommenden Leistungsgruppen finden sich in § 5 SGB IX) durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets ausgeführt, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, § 29 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Entsprechendes gilt bei Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 57 SGB XII. Die Leistung wird als individuell bedarfsgerecht gemessener Geldbetrag zur Verfügung gestellt, mit ihnen können die benötigten Dienstleistungen und Waren in eigener Regie beschafft werden. Auch insofern kommt die Gewährung von Eilrechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG in Betracht.
a) Einfach gesetzlicher Prüfungsmaßstab gem. § 86 b Abs. 2 S. 2 u. 4, SGG, § 103 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO
Durch Beschl. v. 28.1.2019 – L 18 SO 320/18 B ER hat das LSG Bayern unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz einem Kind, das von Geburt an beidseitig hörgemindert ist und bei dem Sprachentwicklungsstörungen aufgetreten sind, einen Hausunterricht in Gebärdensprache als persönliches Budget für vier Stunden pro Woche zu jeweils 50 EUR zugesprochen.
Das Gericht prüft zunächst den einfachgesetzlichen Prüfungsmaßstab: dieser ergibt sich aus den Bestimmungen der § 86b Abs. 2 S. 2 SGG, § 103 SGG (Untersuchungsgrundsatz) und § 86b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO (Glaubhaftmachung). Diese regeln im Zusammenspiel: Ein Eilantrag ist erfolgreich, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch den Antragstellern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (sog. Anordnungsanspruch) und ihnen im Zeitraum bis zum Ergehen der Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine nicht unerhebliche Rechtsverletzung, also ein wesentlicher Nachteil, droht (sog. Anordnungsgrund).
Ergibt sich nach diesem Maßstab kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – aber nur dann –, ist aufgrund des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen (s. hierzu etwa bereits BVerfG v. 6. 8. 2014 – 1 BvR 1453/12 und v. 14.9.2016 – 1 BvR 1335/13, ferner die nachfolgend unter b) dargestellte Entscheidung). Hierbei sind die in die Eilentscheidung einzubeziehenden Abwägungselemente des (jedenfalls möglichen) prospektiven Hauptsacheerfolgs und der (jedenfalls möglicherweise) ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen nach Beeinträchtigungs- und Wahrscheinlichkeitsgraden im Rahmen einer offenen Abwägung von den Gerichten zu gewichten. Um dem Eilantrag stattzugeben, kann so bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen bereits die Möglichkeit des Bestehens eines Hauptsacheanspruchs ausreichen. Um den Eilantrag unter Orientierung an der Hauptsache abzulehnen, ist bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz möglichen Beeinträchtigung ggf. schon im Eilverfahren eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen.
Vorliegend hatte der Eilantrag bereits nach einfachgesetzlichen Maßstäben Erfolg, da nach den getroffenen Feststellungen eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der beantragte Kurs geeignet und erforderlich ist, die Fähigkeiten des Antragstellers, an der Gesellschaft teilzuhaben und damit die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen (§ 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII), maßgeblich zu verbessern.
Das LSG führt hilfsweise aus, dass auch eine Güter- und Folgeabwägung zugunsten des Antragstellers ausfiele. Es hält den Eintritt von schweren Beeinträchtigungen bei Nichtgewährung des beantragten Eilrechtsschutzes jedenfalls für denkbar, weil Gefährdungssituationen vorliegen, in denen eine Verständigung mit dem Antragsteller nur durch Gebärdensprache möglich ist, um Gefahren zu vermeiden. Auch wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechender Situationen nicht allzu hoch sein möge, wäre es schwerwiegend, wenn sich die entsprechenden Gefahren realisieren. Auch die Folgenabwägung im Sinne der sog. Doppelhypothese (Folgen bei Unterliegen im Eilverfahren/Obsiegen in der Hauptsache einerseits und bei Obsiegen im Eilverfahren/Unterliegen in der Hauptsache andererseits) spreche für die vorläufige Kostenverpflichtung des Antragsgegners. Im erstgenannten Fall ist der Eintritt der oben genannten Beeinträchtigungen möglich. Im letztgenannten Fall kommt es lediglich zur Rückzahlungsverpflichtung des Antragstellers, wobei der Senat das Risiko eines Anspruchsverlustes des Antragsgegners für gering erachtet.
Hinweis:
Die LSG entscheiden im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes letztinstanzlich, ihre Entscheidungen sind nicht reversibel. Bei Verletzung von Grundrechten und anderer in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Rechte ist aber Verfassungsbeschwerde möglich. Einschlägig ist im vorliegenden Zusammenhang das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (s. hierzu nachfolgend).
b) Stattgebender Kammerbeschluss, BVerfG v.14.3.2019 – 1 BvR 169/19
Der 1987 geborene schwerbehinderte Beschwerdeführer ist aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung auf eine 24-Stunden-Betreuung angewiesen und erhält seit Jahren vom zuständigen Leistungsträger ein persönliches Budget, mit welchem er seine Ve...